Das Gericht befand das Ziel des Streiks der Korean Railway Workers' Union (KRWU) im Dezember 2013 zwar für rechtswidrig, erklärte jedoch, dass dem Streik der "Überraschungscharakter" fehle, der den Tatbestand einer Behinderung der Geschäftstätigkeit begründe. In der Urteilsbegründung heißt es:
"Eine einfache Niederlegung der Arbeit als Behinderung der Geschäftstätigkeit zu bestrafen, würde bedeuten, dass es sich faktisch um Zwangsarbeit handelt... Nach gemeinsamer Prüfung der Tatsache, dass dies einen Verstoß von Artikel 12, Ziffer 1 der Verfassung darstellen könnte, der Zwangsarbeit verbietet, sowie unter Berücksichtigung der Kritik seitens der IAO und der internationalen Gemeinschaft, dass unser Land das einzige ist, das über eine einfache Arbeitsniederlegung strafrechtliche Sanktionen verhängt, ist es notwendig, einfache Arbeitsniederlegungen nur in begrenztem und eingeschränktem Maße als Behinderung der Geschäftstätigkeit zu sanktionieren."
Sangsu Jo, der Präsident der KPTU, des Dachverbands der KRWU, erklärte in einer Stellungnahme: "Dieses Urteil deutet darauf hin, dass die Arbeit der ITF und des IGB und die sofortige Intervention der IAO Wirkung zeigten, und wir sind dankbar für die Unterstützung, die uns dabei zuteil wurde. Wir sind davon überzeugt, dass unser Streik rechtmäßig war. Die Repressalien gegenüber der KRWU müssen sofort aufhören. Unser Kampf gegen die Bahnprivatisierung wird fortgesetzt, um den öffentliche Zugang zum Verkehr und die Sicherheit der Fahrgäste zu schützen."
ITF, KRWU und der nationale Dachverband KCTU hatten am 16. September 2014 bei der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) eine gemeinsame Klage gegen die Republik Korea eingereicht. Sie werfen ihr vor, zugelassen zu haben, dass die staatliche Bahngesellschaft Korea Railroad Corporation (Korail) den IAO-Grundsatz der Vereinigungsfreiheit und das Streikrecht verletzte und an deren Verletzung beteiligt war. Die ITF nahm darüber hinaus als so genannter "Amicus Curiae" ("Freund des Gerichts") in einem Schriftsatz an das mit dem Fall befasste nationale Gericht zu der Angelegenheit Stellung – eine für die ITF neue juristische Taktik.
Die am 22. Dezember freigesprochenen Spitzengewerkschafter gehören zu 176 KRWU-Funktionär/innen, die im Zusammenhang mit dem Streik von 2013 der Behinderung der Geschäftstätigkeit angeklagt wurden. Das jetzige Urteil wird sich voraussichtlich erheblich auf die Ergebnisse der Prozesse lokaler Funktionär/innen auswirken, die an 17 Orten im ganzen Land stattfinden. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Gewerkschaften befürchten zudem, dass das Urteil durch staatliches Eingreifen gekippt werden könnte.
Der 23-tägige Streik war am 31. Dezember 2013 beendet worden, nachdem mit Parlamentsabgeordneten der Opposition und der regierenden Partei die Gründung eines "Unterausschusses für die Entwicklung der Bahnindustrie" vereinbart worden war. Im Januar 2014 hatte Korail vor Gericht die vorübergehende Beschlagnahme von KRWU-Vermögen in Höhe von bis zu 11,6 Mrd. KRW (ca. 8,5 Mio. Euro) durchgesetzt und eine Schadensersatzklage über 25 Mrd. KRW (ca. 19,1 Mio. Euro) gegen die Gewerkschaft erhoben.
Weitere Informationen über diesen Arbeitskonflikt sind hier nachzulesen.
Ihr könnt auch die ITF-Solidaritätskampagne für das Recht auf Streik unterstützen.
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