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Inmitten der Pandemie auf See im Stich gelassen

NACHRICHTEN

Drei griechische Seeleute und 22 ihrer Mannschaftsmitglieder auf zwei Massengutfrachtern, die im Hafen von Dschibuti vor Anker liegen, gehören zu den zurückgelassenen Seeleuten in aller Welt, deren Zahl angesichts der sich ausbreitenden Covid-19-Pandemie in erschreckendem Ausmaß zunimmt.

Die Schiffsingenieure sitzen auf den unter liberianischer Flagge fahrenden Schiffen M/V Ptolemeos und M/V Arrybas trotz Krankheit und wiederholten Bitten um ihre Heimschaffung seitens der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, der griechischen Regierung und Versicherungsgesellschaften fest.

"Wir sind seit acht Monaten an Bord," erklärte der Chefingenieur der M/V Arrybas Dimitrios Siakas am 18. April über WhatsApp. "Wir liegen hier seit acht Monaten ohne Heuern im Hafen, ohne das Schiff verlassen zu können und ohne Geld."

Nach Auskunft von Siakas befinden sich noch elf Leute an Bord, die meisten Philippiner. Der Großteil der Crew auf dem Schwesterschiff stammt aus Sri Lanka.

Der zweite technische Offizier auf der M/V Ptolemeos Dimitrios Falkos schrieb einem Freund auf Facebook: "Hey Mann, es ist jetzt 2,5 Monate her, dass sie uns hier im Stich gelassen haben, und wir wollen hier weg. Ich habe schon so lange mit niemandem mehr telefoniert. Der heilige Nikolaus möge euch allen helfen."

Das war am 4. Dezember. Seitdem hat Falkos nichts mehr gepostet.

"Dimitrios Falkos sollte im Oktober 2019 operiert werden," erklärte der Koordinator des ITF-Netzwerks für die arabische Welt und den Iran Mohamed Arrachedi. "Es ist zu befürchten, dass er nicht die medizinische Versorgung an Land erhält, die er benötigt."

Arrachedi erklärte, dass die Schiffe dem Vernehmen nach wegen ausstehender Schulden arrestiert worden seien.

"Wir respektieren Gerichtsverfahren und nationale Gesetze weltweit," betonte er. "Aber diese Seeleute müssen nach Hause zurückkehren. Wir fordern die Behörden in Dschibuti dazu auf, mit uns zu kooperieren. Dschibuti hat das Seearbeitsübereinkommen unterzeichnet. 

"Das Wohlergehen der Seeleute muss Vorrang haben. Es ist unfassbar, dass sie so viele Monate ausharren müssen. Es ist an der Zeit, eine Lösung zu finden. Die Schifffahrtsbehörden von Dschibuti müssen ihren Verpflichtungen im Rahmen des Seearbeitsübereinkommens nachkommen, und die auf der Ptolemeos und der Arrybas zurückgelassenen Seeleute aus ihrer Misere erlösen."

Im Januar 2017 wurden in das Seearbeitsübereinkommen Bestimmungen über die Zurücklassung von Seeleuten aufgenommen.

"Wir bestehen auf der Heimschaffung der Crew," so Arrachedi. "Zwei Besatzungsmitglieder wurden ins Krankenhaus eingewiesen. Auch andere haben gesundheitliche Probleme."

Laut IHS Markit Safety at Sea haben die dschibutischen Behörden das in Athen niedergelassene Unternehmen Probulk Shipping and Trading wegen Schulden in Höhe von 10 Millionen US-Dollar bei Banken und Zulieferern vor Gericht verklagt.

Beide Schiffe wurden gezwungen, vor der Küste vor Anker zu gehen und zu warten. 

Der IAO-Datenbank zufolge durfte der Großteil der philippinischen Besatzung vor Weihnachten nach Hause zurückkehren, und zwei griechische Seeleute wurden im Dezember bzw. Februar heimgeschafft.

Beide Schiffe sind bei der in Singapur tätigen Schiffsmaklerfirma Bronco Shipbrokers zum Verkauf ausgeschrieben mit dem Vermerk "liegt derzeit in Dschibuti vor Anker, Status: Nicht klassifiziert, flaggenlos und arrestiert. Frachtstatus: leer."

Probulk (ehemals Entrust Maritime) gibt jedoch in einem Fachmagazin an, die unter liberianischer Flagge fahrende M/V Ptolemeos bereits im September letzten Jahres zur Abwrackung verkauft zu haben.

Laut Dun & BradStreet ist Probulk ein 2 Mio. US-Dollar schweres Unternehmen. Tradewinds berichtet, dass das Unternehmen im Jahr 2009 Konkurs anmeldete.

In einem Dokument der Universität von Singapur heißt es zudem, dass indische Behörden im vergangenen Jahr versuchten, die M/V Arrybas wegen unbezahlter Schulden zu beschlagnahmen, aber vor Gericht verloren.

Die ITF hörte erstmals im August 2019 von der M/V Ptolemeos, als Besatzungsmitglieder des damals in Kenia liegenden Schiffes meldeten, seit drei Monaten keine Heuern erhalten zu haben. 

Die kenianische Hafenstaatkontrolle hielt das Schiff wegen der Verletzung des Seearbeitsübereinkommen fest.

Ein ITF-Inspektor, der an Bord des Schiffes war, berichtete, dass die philippinischen Besatzungsmitglieder Angst hätten, auf die schwarze Liste gesetzt zu werden, wenn sie sich beschwerten. Sie seien gezwungen worden, gefälschte Heuerzettel zu unterschreiben, um vorzugeben, sie seien bezahlt worden. Die ITF trieb die ausstehenden Heuern ein, bevor dem Schiff die Erlaubnis zum Weiterfahren erteilt wurde. Bei der Ankunft in Dschibuti wurden jedoch beide Schiffe arrestiert.

Die ITF hat aus humanitären Gründen auf die Hilfeersuche der griechischen Besatzungsmitglieder reagiert.

In seiner ersten E-Mail an die Hafenbehörde von Dschibuti bat Arrachedi um dringende Unterstützung.

"Wir haben erfahren, dass ein Rechtsverfahren gegen das Schiff vorliegt, was wir natürlich respektieren," so Arrachedi. "Wir geben jedoch zu bedenken, dass die Seeleute ohnehin schon unter der Zurücklassung leiden und nicht für eine Situation bestraft werden dürfen, die sie nicht verursacht haben."

Eine Antwort der Hafenbehörde blieb aus.

In einer zweiten E-Mail vom 15. November, die direkt an Mohamed Abar von der Hafenbehörde von Dschibuti adressiert war, schrieb Arrachedi: "Die ITF macht sich große Sorgen wegen der Lage der zurückgelassenen Seeleute, die nun schon seit Monaten andauert."

Er erklärte, die ITF werde diese Verletzung des Rechts von Seeleuten, zurückgeschafft und für ihre Arbeit bezahlt zu werden, verfolgen.

"Wie Sie wissen, wurde der Chefingenieur ins Krankenhaus eingewiesen und für arbeitsunfähig erklärt. Die anderen leiden unter einer sehr schweren psychischen und mentalen Depression und haben mehrmals den Wunsch geäußert, nach Hause zurückgeschafft werden," so Arrachedi in seinem Schreiben an den Hafenmeister.

Die griechische Regierung habe der Hafenbehörde mitgeteilt, dass eine Besatzung zur Ablösung der an Bord befindlichen Seeleute bereit stehe.

"Dies sollte kein Problem sein und es gibt keinen Grund für eine Ablehnung," so Arrachedi weiter. "Bitte geben Sie als Hafenmeister grünes Licht für die Heimschaffung."

Arrachedi zeigte sich jedoch besorgt über das Ausbleiben jeglicher Antwort oder Kooperationsbereitschaft. 

"Die Schiffe haben keine Genehmigung, im Hafen einzulaufen, und die Seeleute, zumindest die griechischen Seeleute, die wiederholt darum gebeten haben, haben nie eine Antwort erhalten."

Arrachedi bat darum, das Schiff längsseits anlegen zu lassen, um der Besatzung ein normaleres Leben zu ermöglichen. Man dürfe die Crew nicht zwingen, bis zum Ende des Gerichtsverfahrens an Bord zu bleiben, denn das könne Monate oder Jahre dauern, betonte er.

Nach dem Schreiben der ITF teilte die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) mit, dass der Chefingenieur der Ptolemeos am 29. Februar in sein Heimatland zurückgeschafft worden sei.

"Es wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, um die gesamte Besatzung heimzuschaffen und die Heuern der letzten vier Monate einzutreiben, aber dies sei leider auf den Widerstand der örtlichen Verwaltungsbehörden gestoßen," berichteten Vertreter*innen von West P&I Club in einer Stellungnahme gegenüber SAS.

Die griechische Regierung versucht, mit den dschibutischen Behörden zu einer Einigung zu gelangen, aber "Ich habe absolut keine Antwort erhalten", erklärte der griechische Schifffahrtsminister Ioannis Plakiotatis am 26. Februar.

"Das alles begann schon vor Covid-19," so Arrachedi. "Inzwischen ist die Heimschaffung noch problematischer geworden. Die Seeleute sind entmutigt. Es ist keine Lösung in Sicht."

Arrachedi betont, dass die Fälle zurückgelassener Seeleute in dem Maße, wie die Staaten ihre Grenzen wegen der Pandemie schließen, zunähmen.

"Wir haben viele Fälle," sagt er und zählt auf: Achtzehn syrische Seeleute an Bord des Tiertransporterschiffs Hannoud-O, die seit fünf Monaten ohne Heuern im Libanon festsitzen, sieben ägyptische Seeleute an Bord der Nader, die ohne Lebensmittel und Trinkwasser im Sudan im Stich gelassen wurden, und ein indischer Seemann, der in Tunesien gestrandet ist, und weder an Bord seines Schiffes gehen noch nach Hause zurückkehren darf.

"Viele zahlen ihren Crews keine Heuern aus," so Arrachedi. "Und sie kommen ungestraft davon. Dies ist ein Krebsgeschwür und die Akteure der Schifffahrtsbranche muss gemeinsam daran arbeiten, es auszumerzen."

Die ITF bat die Hafenbehörde von Dschibuti und die griechische Regierung um Stellungnahmen.

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Falls ihr keine*n ITF-Inspektor*in erreichen könnt, könnt ihr per E-Mail an seafsupport@itf.org.uk Kontakt zu unserem eigens für die Unterstützung von Seeleuten eingerichteten Team aufnehmen.

 

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