Am ersten Jahrestag des Amtsantritts von Präsident Yoon bringt der Global-Unions-Rat (GUR), der 200 Millionen Beschäftigte weltweit vertritt, seine tiefe Sorge über die jüngsten Angriffe, juristischen Schikanen und Repressalien gegenüber den rechtmäßigen Aktivitäten von Gewerkschaften und den Rechten der Arbeitnehmer*innen in Südkorea zum Ausdruck.
Es ist inakzeptabel, dass diese Unterdrückung weitergeht, obwohl Südkorea der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beigetreten ist und vor zwei Jahren das Übereinkommen 87 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Vereinigungsfreiheit und das Übereinkommen 98 über Kollektivverhandlungen ratifiziert hat.
Am 1. Mai setzte sich Yang Hoe-Dong, der Bezirksvorsitzende der Koreanischen Bauarbeitergewerkschaft, aus Protest gegen die Schikanierung von Gewerkschaftsmitgliedern durch Regierungsbehörden selbst in Brand. Yang war selbst eines der Opfer dieser Schikanen und erlag tragischerweise den Folgen der schweren Verbrennungen.
Vor seiner Selbstverbrennung hinterließ Yang eine Botschaft, in der erklärte, dass er trotz der Rechtmäßigkeit seiner Gewerkschaftstätigkeit wegen Geschäftsbehinderung, Nötigung und Erpressung angeklagt worden sei. Die Selbstverbrennung von Yang erinnert an die dunkelsten Jahre in der Geschichte der Arbeiterbewegung Südkoreas.
Die unberechtigten Anklagen gegen Gewerkschaftsmitglieder wegen Nötigung und Erpressung gehen auf die gewerkschaftsfeindliche Politik der Regierung unter Präsident Yoon Suk-yeol zurück. Die Regierung stützt sich im Bereich der Arbeitsbeziehungen nicht auf sozialen Dialog, sondern auf Polizeieinsätze. Im Bausektor leitete die Polizei eine Sonderermittlung gegen Gewerkschaften ein mit dem alleinigen Ziel, normale Gewerkschaftsaktivitäten zu kriminalisieren. Ermuntert durch die gewerkschaftsfeindlichen Äußerungen des Präsidenten, der Baugewerkschaften als Kriminelle auf Baustellen bezeichnete, folgte die Polizei gezielt dieser Logik, um die Gewerkschaft zu verleumden und die Würde gewerkschaftlicher Führungskräfte zu verletzen. Yang war einer der 950 Gewerkschaftsfunktionär*innen, die im Zuge der Sonderermittlung von der Polizei vorgeladen wurden. Derzeit befinden sich noch 16 von ihnen wegen solcher Strafanzeigen in Haft.
Die gewerkschafsfeindlichen Repressalien der Regierung beschränken sich nicht nur auf den Bausektor, restriktive Definitionen im Arbeitsrecht haben zur Folge, dass alltägliche Gewerkschaftsaktivitäten kriminalisiert werden. So wurde beispielsweise im November 2022 ein Streik von Lkw-Fahrer*innen für illegal erklärt. Daewoo Shipbuilding and Marine Engineering (DSME) strengte gegen führende Gewerkschaftsmitglieder eine Klage in Höhe von 47 Milliarden KRW (ca. 35,6 Mio. USD oder 32,3 Mio. EUR) wegen der Nichteinhaltung von Produktionszielen während eines Streiks an. Eine klare Vergeltungsmaßnahme, die darauf abzielte, Leiharbeitskräfte von der Ausübung grundlegender Gewerkschaftsrechte abzuschrecken.
Trotz eindeutiger Empfehlungen von der IAO, UN-Vertragsorganen und dem im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Südkorea eingerichteten Sachverständigenausschuss blockiert die Regierung weiterhin jegliche Angleichung des Anpassungsgesetzes zu Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften an internationale Normen.
Darüber hinaus hat die Yoon-Regierung eine Verleumdungskampagne gegen Gewerkschaften eingeleitet, die sich auf unhaltbare Vorwürfe der Korruption und administrativer Unregelmäßigkeiten stützt. Der GUR nimmt mit großer Sorge zur Kenntnis, dass die Behörden sich in die Verwaltung und Tätigkeit von Gewerkschaften einmischen, indem sie Kopien der Gewerkschaftshaushalte und die Änderung von Gewerkschaftssatzungen verlangen. Dies sind schwerwiegende Verstöße gegen das im IAO-Übereinkommen 87 verankerte Recht auf Vereinigungsfreiheit.
Mit seiner Antigewerkschaftsrhetorik und der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Staatsanwälten und Polizei für Angriffe auf Gewerkschaften hat Präsident Yoon Suk-yeol einen nationalen Ton angeschlagen, der in den Betrieben des ganzen Landes mit zunehmend gewalttätigen Angriffen auf Gewerkschaftsmitglieder ein Echo findet. Am 4. Mai 2023 steuerte ein Manager von ILIN Hysolus, einem Zulieferer von Hyundai Motor und BMW, sein Fahrzeug in eine Gruppe führender lokaler Gewerkschaftsmitglieder, wobei drei von ihnen gerammt wurden und der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende schwere Verletzungen erlitt.
Der GUR verurteilt die Kriminalisierung von Gewerkschaftsaktivitäten und die Durchsuchungen von Gewerkschaftsbüros unter dem Schirm der Yoon-Administration. Wir appellieren an die südkoreanische Regierung, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen in vollem Umfang zu respektieren und die Unterdrückung der südkoreanischen Gewerkschaftsbewegung zu beenden.
Der GUR fordert, alle Anklagen gegen Beschäftigte zurückzunehmen und fallenzulassen, die wegen der Ausübung grundlegender Gewerkschaftsrechte verhaftet wurden. Wir fordern die Regierung ferner auf, alle Maßnahmen zur Verleumdung und Kriminalisierung von Gewerkschaftsmitgliedern einzustellen, da sie dem Aufbau stabiler Arbeitsbeziehungen nicht dienlich sind, sondern ein Klima der Angst und Einschüchterung erzeugen, das der Ausübung der durch nationales und internationales Recht geschützten Rechte der Beschäftigte entgegensteht.
Organisierung ist ein Recht, kein Verbrechen.
Der GUR steht an der Seite der südkoreanischen Gewerkschaftsbewegung in ihrem anhaltenden Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit. Sie übermittelt der Ehefrau und den Kindern von Yang Hoe-Dong und seiner Gewerkschaftsfamilie ihr herzliches Beileid.