London / Kopenhagen, 23. März 2023
Weltweit zahlen Beschäftigte bei A.P. Møller-Maersk wahrscheinlich einen weitaus höheren Steuersatz als das multinationale Schifffahrtsunternehmen, für das sie arbeiten, so das Ergebnis einer neuen Analyse, die vor der Jahreshauptversammlung von Maersk in der kommenden Woche veröffentlicht wurde.
Wissenschaftler des Centre for International Corporate Tax Accountability and Research (CICTAR) beschreiben die außergewöhnliche Situation, wonach durchschnittliche Beschäftigte in vielen Ländern, in denen Maersk tätig ist, einen höheren Anteil ihres Einkommens für Steuern aufbringen als das dänische Unternehmen eigenen Angaben zufolge für seine Gewinne entrichtet.
Weltweit belief sich der Vorsteuergewinn von Maersk in den Jahren 2021 und 2022 auf 49 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2021 zahlte das Unternehmen jedoch nur 3,7 Prozent Steuern auf seine Gewinne und im letzten Jahr nur 3 Prozent. Die Zahl enthält die von Maersk gemeldeten Steuerzahlungen in den 130 Ländern seiner Geschäftstätigkeit.
Vergleicht man das mit einem durchschnittlichen dänischen Beschäftigten, der auf seinen Lohn 39,1 Prozent Einkommenssteuer und Sozialabgaben zahlt, so ist der Satz dreizehnmal höher als der von Maersk entrichtete Steuersatz.
Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse Do workers pay more tax than Maersk? (Zahlen Beschäftigte mehr Steuern als Maersk?):
- Ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer in Dänemark zahlt das 13-fache des von Maersk gezahlten Satzes
- Niederländische Beschäftigte zahlen mehr als das Neunfache des Satzes von Maersk
- Argentinische Beschäftigte zahlen mehr als das Achtfache des Satzes von Maersk
- Australische Beschäftigte zahlen im Durchschnitt 19,8 Prozent ihres Einkommens an Steuern, mehr als das Sechsfache des Satzes von Maersk
"Maersk ist eine dänische Ikone. Wir sind zwar stolz auf den kommerziellen Erfolg des Unternehmens, aber die Profite von Maersk dürfen nicht zu Lasten der Beschäftigten oder der Steuerzahler gehen – weder in Dänemark noch anderswo," erklärte Karsten Kristensen, der stellvertretende Vorsitzende des Fachbereichs Verkehr der dänischen Gewerkschaft 3F.
"Maersk muss seinen Erfolg teilen, sowohl mit seinen Beschäftigten als auch mit der Gesellschaft. Es ist bedenklich, dass diese neuen Zahlen den Schluss zulassen, dass das Unternehmen einen niedrigeren Steuersatz zahlt als die Beschäftigten," mahnte Kristensen.
Wenn Unternehmen nicht ihren gerechten Anteil zahlen, so Kristensen, bedeute dass, dass sie von anderen Steuerzahlern, darunter auch ihren Beschäftigten, erwarten, über die Einkommenssteuer für die Kosten wesentlicher öffentlicher Infrastrukturen, wie Straßen und Häfen, aufzukommen. "Das ist ein klarer Fall von unternehmerischer Doppelmoral. Wir denken, dass die dänische Bevölkerung mehr von Maersk erwartet."
Maersk macht während der Pandemie 9,4 Milliarden Dollar Gewinn – Die dänische Bevölkerung hat das Nachsehen
Maersk hat die Pandemie und die damit verbundene Lieferkettenkrise sehr gut überstanden. Die globalen Gewinne des Unternehmens sind nach Angaben des CICTAR seit 2022 in die Höhe geschnellt und haben sich über die zwei Jahre um mehr als das 26-fache erhöht.
Die dänischen Steuerzahler haben bei diesem Erfolg allerdings das Nachsehen. Das ist darauf zurückzuführen, dass Maersk im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die üblicherweise in ihren Sitzländern Körperschaftssteuer auf einen Großteil oder die Gesamtheit ihrer Gewinne entrichten, in seinem Heimatland einen wesentlich niedrigeren Tonnagesteuersatz zahlte.[1]
Die Wissenschaftler schätzen, dass den Dänen fast zehn Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen entgangen sind, von denen die Bevölkerung hätte profitieren können, wäre auf die Gewinne von Maersk ein Steuersatz erhoben worden, der näher an dem liegt, den der typische Arbeitnehmer zahlt:
Bei Zugrundelegung des Tonnagesteuermodells anstelle des in Dänemark üblichen Unternehmenssteuersatzes von 22 Prozent sind Dänemark im Zeitraum 2020 bis 2022 schätzungsweise 9,4 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen entgangen.
"Diese Pandemie war für Maersk eine enorme kommerzielle Chance," erklärte Jason Ward, der Chefanalyst im Zentrum für Steuertransparenz CICTAR. "Das Unternehmen konnte seit 2020 nur geringfügig mehr Tonnen transportieren, aber es gelang ihm dank der in Dänemark geltenden Tonnagesteuer, erheblich höhere Gewinne aus seinen Geschäften zu ziehen."
Die von dem Unternehmen gezahlte Tonnagesteuer stieg von rund 100 Millionen US-Dollar pro Quartal im Jahr 2020 auf rund 200-250 Millionen US-Dollar im Jahr 2022.
Ward erklärte, es wäre besser, wenn Maersk sich in Bezug auf sein Steuerverhalten transparenter zeigen würde. "Maersk legt zwar eine Aufschlüsselung der an einigen Standorten gezahlten Gesamtsteuern vor, sollte aber dem Beispiel anderer dänischer und europäischer multinationaler Unternehmen folgen und in allen Ländern seiner Geschäftstätigkeit sämtliche gezahlten Steuern und grundlegende Finanzinformationen offenlegen," so Ward.
Ward appellierte an das Unternehmen, seine Jahresabschlüsse gemäß dem Steuerstandard der Global Reporting Initiative (GRI), der nach Ländern aufgeschlüsselte Angaben vorsieht, zur Veröffentlichung vorzubereiten. Dies wird für alle Unternehmen, die in Australien tätig sind, also auch für Maersk, ab Juli verpflichtend sein, wenn dort neue Vorschriften in Kraft treten.
ITF will auf der Jahreshauptversammlung Ungerechtigkeiten gegenüber Beschäftigten und Steuerzahlern anprangern
"Die Aktionäre der Maersk-Gruppe werden fragen, wie die Feststellungen dieses Berichts mit dem öffentlichen Engagement des Unternehmens für Nachhaltigkeit zusammenpassen," erklärte Kulsoom Jafri, leitende Kampagnenbeauftragte bei der Internationalen Transportarbeiter-Föderation.
Jafri bezeichnete es als Doppelmoral, wenn ein multinationales Unternehmen wie Maersk während der Pandemie Superprofite einstreicht, und zwar hauptsächlich dank der harten Arbeit seiner Angestellten, und dann einen niedrigeren Steuersatz zahlt als diese Beschäftigten. "Gleichseitig setzt Maersk seine Beschäftigten und Lieferanten unter zunehmenden Druck – besonders im globalen Süden."
"Maersk hat nur dank der übermenschlichen Anstrengungen von Seeleuten, Hafenbeschäftigten, Schlepperbesatzungen und Lkw-Fahrern Superprofite erzielt. Für die Angestellten der Maersk-Gruppe, deren Löhne seit Jahren nicht angehoben wurden, ist diese Nachricht ein Schlag ins Gesicht."
Jafri erklärte, die ITF werde ihre jährliche Erklärung zur ESG-Performance von Maersk nächste Woche persönlich abgeben, nachdem das Unternehmen in diesem Jahr dazu übergegangen ist, seine Jahreshauptversammlung ausschließlich online abzuhalten, und damit verhindert, dass Interessengruppen, wie Gewerkschaften, ihre Erklärungen vorlesen.
ENDE Hinweise:
- Die CICTAR-Studie "Do workers pay more tax than Maersk?" kann in voller Länge hier abgerufen werden.
Literaturangaben:
[1] "Seit 2001 erhebt Dänemark keine einheitliche Körperschaftssteuer auf Schifffahrtsunternehmen mehr, sondern eine Tonnagesteuer, die auf einem festen Betrag pro Nettotonne beruht." (Quelle: CICTAR, 2023)