Erklärung des Global-Unions-Rats (GUR)
Anlässlich des Internationalen Gedenktags für die Opfer von Arbeitsunfällen 2020[1], appelliert die globale Gewerkschaftsbewegung an Regierungen und Arbeitsschutzbehörden in aller Welt, SARS-CoV-2 als arbeitsbedingtes Risiko und Covid-19 als Berufskrankheit anzuerkennen.
Während ein Drittel der Weltbevölkerung derzeit unterschiedlichen Maßnahmen des Lockdowns unterliegt, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verlangsamen, setzen Millionen von Beschäftigten, unter anderem im Gesundheits- und Sozialwesen, bei Rettungsdiensten, in der Landwirtschaft, im Lebensmittel- und Einzelhandel, im Verkehrssektor, im Bildungsbereich, in der Infrastruktur- und Baubranche und bei anderen öffentlichen Diensten (siehe Anhang weiter unten), ihre harte Arbeit fort, um unsere Gesellschaften funktionsfähig zu halten. Die überwiegende Mehrheit tut dies jedoch ohne den umfassenden Schutz, der vorgeschrieben ist, wenn sie dem Risiko einer anerkannten Berufskrankheit durch einen biologischen Arbeitsstoff ausgesetzt sind. Dies stellt für Beschäftigte, ihre Familien und ihr soziales Umfeld eine erhebliche Gefährdung dar.
Der SARS-CoV-2 (Coronavirus) muss dringend als arbeitsbedingtes Risiko anerkannt werden.[2] Wie bei jeder anderen Gefahr trägt der Arbeitgeber die Verantwortung dafür, seine Angestellten so weit wie möglich davor zu schützen. Das umfasst strikte Hygienemaßnahmen, Social Distancing, ausreichende und korrekte persönliche Schutzausrüstung (begleitet von einem entsprechenden Programm), Tests und Verfolgungsprotokolle für exponierte Arbeitskräfte und solche, die möglicherweise mit dem Virus in Kontakt kamen, insbesondere wenn Tests leichter verfügbar sind.
Darüber hinaus muss Covid-19 offiziell als Berufskrankheit anerkannt werden. Eine solche Anerkennung würde die Rechte auf Arbeitnehmer*innenvertretung sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sicherstellen und die Anwendung vereinbarter Maßnahmen zur Eindämmung des Risikos gewährleisten. Dazu gehört auch das Recht auf Verweigerung der Arbeit bei unsicheren Arbeitsbedingungen. Regierungen müssen die Meldung und Protokollierung arbeitsbedingter Krankheitsfälle vorschreiben und dafür sorgen, dass Beschäftigte, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit an Covid-19 erkrankt sind, und ihre Familienangehörigen umfassend medizinisch versorgt werden und Entschädigungsleistungen in Anspruch nehmen können.
Die globale Gewerkschaftsbewegung fordert daher alle Regierungen weltweit dazu auf, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz dieser Beschäftigten zu ergreifen. Erstens, indem sie Arbeitgeber an ihre Verpflichtung mahnen, die Gesundheit und Sicherheit ihrer Beschäftigten vor allen Gefahren am Arbeitsplatz zu schützen, auch vor SARS-CoV-2. Zweitens, indem sie den Schutz aller Beschäftigten durch die Aufnahme einer "widerlegbaren Vermutung" in Systeme zur Anerkennung von Berufskrankheiten gewährleisten, wonach Covid-19 bei Personen, deren Arbeitsplatz sie dem Risiko einer Exposition gegenüber SARS-CoV-2 aussetzt, als Berufskrankheit anerkannt wird und einen Anspruch auf entsprechende Entschädigungsleistungen wirksam macht.[3]
Die Aufnahme einer "widerlegbaren Vermutung" im Fall von Covid-19-Infektionen würde bedeuten, dass davon ausgegangen wird, dass die Krankheit durch die Exposition eines Beschäftigten gegenüber SARS-CoV-2 bei der Arbeit verursacht wurde, es sei denn, den zuständigen Behörden wird ein schlüssiger Gegenbeweis im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Arbeitsunfallversicherungen vorgelegt. Dabei umfasst der Begriff Arbeitsplatz den Weg zur Arbeit und zurück. Diese Anerkennung als Berufskrankheit würde Arbeitgeber verantwortlich und haftbar machen und dafür sorgen, dass über Arbeitgeber, die dieser Pflicht nicht nachkommen, Sanktionen verhängt werden.[4]
Diese Anerkennung und der damit verbundene Schutz wären ein erster Schritt, Beschäftigten den verdienten Respekt entgegenzubringen, da sie sich so darauf verlassen können, dass möglichst umfassende Präventivmaßnahmen umgesetzt werden und sie im unglücklichen Fall, dass sie an Covid-19 erkranken, gerechte Entschädigungsleistungen geltend machen können. Der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten durch Infektionsprävention sollte immer an erster Stelle stehen. Aber Beschäftigte, die krank werden, sollten sich auf ihre Genesung konzentrieren können, ohne sich darüber Sorgen machen zu müssen, ob die Krankheit, die sie sich bei der Arbeit zugezogen haben, sie in den finanziellen Ruin stürzt.
Am Internationalen Gedenktag für die Opfer von Arbeitsunfällen erinnern wir uns an die Millionen von Beschäftigten, die jedes Jahr bei Arbeitsunfällen oder infolge einer Exposition am Arbeitsplatz sterben. In diesem Jahr, in dem die Welt im Griff einer tödlichen Pandemie ist, haben wir noch einen Grund mehr, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Beschäftigte sterben, um Leben zu retten. Sie verdienen unsere Unterstützung und unseren Dank. Die Exposition gegenüber SARS-CoV-2 muss als vermeidbare Gefahr anerkannt und eine arbeitsbedingte Covid-19-Erkrankung muss als Berufskrankheit anerkannt und entschädigt werden.
[1] Der Internationale Gedenktag für die Opfer von Arbeitsunfällen ist auch bekannt als der Gedenktag für verstorbene und verunglückte Beschäftigte oder International Workers Memorial Day.
[2] Die Regierung Argentiniens und das italienische Institut für Versicherung gegen Arbeitsunfälle (INAIL) haben COVID-19 bereits als Berufskrankheit anerkannt.
[3] IAO-Empfehlung Nr. 194 (Liste der Berufskrankheiten) empfiehlt, dass eine innerstaatliche Liste der Berufskrankheiten (für Präventions-, Aufzeichnungs-, Melde- und gegebenenfalls Entschädigungszwecke) unter anderem durch biologische Agenzien bei der Arbeit verursachte Erkrankungen enthalten sollte, bei denen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der arbeitsbedingten Exposition gegenüber diesen biologischen Agenzien und der Erkrankung/den Erkrankungen des Arbeitnehmers wissenschaftlich nachgewiesen oder durch den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechende Methoden bestimmt worden ist. Covid-19 fällt unter Artikel 1.3.9 des der Empfehlung als Anhang beigefügten Liste der Berufskrankheiten.
[4] Diese Anerkennung würde auch die Fallbearbeitung durch nationale Kontaktstellen der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen erleichtern und zeitnahe Unterstützungsmaßnahmen für Beschäftigte ermöglichen, die um Hilfe bitten.
Anhang
Zu den Tätigkeitsbereichen und Berufsgruppen mit Exposition gegenüber SARS-CoV-2, die durch Covid-19 gefährdet sind, gehören unter anderem:
- Polizeikräfte, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter*innen und alle Personen, die als Ersthelfer*innen gelten und beschäftigt werden
- Gesundheitspersonal in der Patientenpflege
- Lebensmittelgeschäfte und Apotheken
- Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion und Landwirtschaft
- Immobiliendienstleistungen, Reinigungsdienste, Haushaltsdienste und Sicherheitskräfte
- karitative und soziale Einrichtungen
- Tankstellen und Unternehmen im Transportbereich
- Finanzinstitutionen
- Hardware- und Zubehörgeschäfte
- wichtige Handwerksbetriebe
- Post- und Zustellungsbetriebe, Speditionen, Liefer- und Logistikdienste, Abholdienste
- Bildungseinrichtungen
- Journalist*innen und Beschäftigte bei Nachrichtenmedien
- Telekommunikation und Internettechnik
- Wäschereidienstleistungen
- Verkauf von zubereiteten Speisen zum Mitnehmen
- Betriebsmittel für Home-Office-Arbeit
- Versorgungsgüter für systemrelevante Geschäfte und Tätigkeiten
- Verkehrsbeschäftigte
- Elektrofachkräfte und Beschäftigte in der Bau-, Instandhaltungs- und Infrastrukturbranche
- häusliche Pflege und Dienste
- Wohn- und Pflegeeinrichtungen
- professionelle Dienstleistungen
- Kindertagesstätten für Angehörige von Arbeitskräften an vorderster Front
- Herstellung, Distribution und Lieferketten für wichtige Produkte und Branchen, wie persönliche Schutzausrüstung, Arzneimittel sowie für wichtige industrielle Prozesse benötigte Materialien und Geräte
- wichtige Gewerkschaftsfunktionen
- Hotels
- Bestattungsunternehmen.
Post new comment