Der Verkehr verursacht 21 Prozent der Kohlendioxidemissionen. Dennoch werden noch immer 95 Prozent der in diesem Sektor verbrauchten Energie aus Erdöl und anderen fossilen Brennstoffen gewonnen (Stand 2015). Dies ist eine bedrückende Tatsache, aber diese Zahlen müssen dringend geändert werden. Das Überleben der Menschheit hängt davon ab.
Laut einem neuen Bericht des UN-Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC), der am Montag (9. August 2021) veröffentlicht wurde, wird die Lage immer verzweifelter. Wenn nicht sofort gehandelt wird, wird die globale Durchschnittstemperatur bis 2040 um 1,5 °C über das vorindustrielle Niveau steigen. Dies ist ein Kipp-Punkt, ab dem der Klimawandel möglicherweise unumkehrbar ist.
Die IPCC-Berichte legen seit dem Jahr 1990 die wissenschaftliche Grundlage für internationale Klimaabkommen und -politiken. Sie werden alle sieben Jahre veröffentlicht. Nie war ihre Botschaft klarer und eindringlicher als dieses Mal. Wir sind auf dem Weg, den Punkt, von dem es kein Zurück mehr gibt, ganze zehn Jahre früher zu erreichen als in früheren Modellen angenommen.
Wir müssen die Warnung des IPCC ernst nehmen und eine umfassende globale Strategie für eine nachhaltige, kohlenstofffreie Zukunft verabschieden. Und zwar jetzt. Der Verkehr wird dabei eine tragende Rolle spielen. Es ist davon auszugehen, dass die UN-Klimakonferenz (COP26) in Glasgow (Schottland) im November dieses Jahres strengere Ziele vorgeben wird, und wir im Verkehrssektor müssen uns darauf einstellen.
Ein gerechter Übergang
Der Übergang zu einem dekarbonisierten Verkehrssektor muss jedoch sorgfältig gesteuert werden, um sicherzustellen, dass er den Beschäftigten sowie Fahrgästen und Passagieren gerecht wird. Verkehrsunternehmen müssen Teil der Lösung sein. Straßentransport, Luftverkehr, Schifffahrt und Schienenverkehr brauchen sauberere Energiequellen, aber auch einen neuen Ansatz für wirtschaftliche Tätigkeit. Der Verkehr ist ein öffentliches Gut und darf nicht von kurzfristigen Geschäftsinteressen bestimmt werden. Es bedarf einer koordinierten Politik, bei der die Regierungen in aller Welt nachhaltigen Verkehr für die Allgemeinheit über Profite stellen.
Die Umstellung auf umweltfreundliche Kraftstoffe muss mit Investitionen in die Infrastruktur einhergehen, was staatliche Eingriffe und demokratische Kontrolle erforderlich machen wird. Zu lange haben auf fossile Brennstoffe fixierte Interessen und eine kurzfristige "Business as usual"-Einstellung notwendige Veränderungen verzögert und uns an den Rand des ökologischen Abgrunds gebracht.
Energiepolitik muss eine demokratische Grundlage haben, wenn sie den Klimawandel erfolgreich angehen soll. Ein Beispiel dafür ist das Konzept der ITF für den öffentlichen Verkehr. Die ITF ist der Ansicht, dass wir die Funktionsweise des Verkehrs in Ballungsräumen neu überdenken müssen. Der IPCC-Bericht weist insbesondere auf die hohen CO2-Emissionen der Städte hin. Ein Großteil dieses CO2-Fußabdrucks ist das Ergebnis städtischer Verkehrsplanung. Die Mittel für den öffentlichen Verkehr müssen aufgestockt, die Nahverkehrssysteme ausgebaut und die Bevölkerung in die strategische Entwicklung des städtischen Verkehrs einbezogen werden.
Und die Beschäftigten sollten im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen.
Die Beschäftigten haben das Know-how
Denn die Verkehrsbeschäftigten sind hautnah von Klimakatastrophen betroffen. Viele der im IPCC-Bericht beschriebenen katastrophalen Ereignisse (Hitzewellen, Wetterextreme, Dürren) wirken sich bereits im Jahr 2021 auf den Verkehr aus. In Griechenland und der Türkei haben Seeleute Menschen evakuiert, die durch die verheerenden Waldbrände in diesem Sommer in Gefahr geraten waren. U-Bahn-Beschäftigte in London, Zhengzhou und New York City versuchten, mit den gewaltigen Überschwemmungen in den Tunneln fertig zu werden, und halfen dabei, Schäden und Verluste zu begrenzen. Brände und Erdrutsche haben die Verkehrsverbindungen in Teilen des Westens der USA stark beeinträchtigt.
Rund um den Globus riskieren Verkehrsbeschäftigte ihr eigenes Leben. Wie der IPCC-Bericht jedoch feststellt, sind derartige Ereignisse nichts Außergewöhnliches mehr. Die Häufigkeit und das Ausmaß von Klimakatastrophen werden wahrscheinlich zunehmen.
Mit dieser Art von Erfahrung aus erster Hand müssen die Verkehrsbeschäftigten bei der Entwicklung nachhaltiger Strategien und Systeme an zentraler Stelle einbezogen werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Dinge in Vorstandsetagen und Regierungsbüros entschieden werden – diese Leute haben schon lange versagt. Der Wandel muss im Rahmen eines gerechten Übergangs zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft erfolgen, die auf hochwertigen gewerkschaftlich organisierten Arbeitsplätzen, Zugang zu Ausbildung und umfassender sozialer Unterstützung fußt.
Finanzielle und technologische Unterstützung muss auf breiter Basis verteilt werden, insbesondere im globalen Süden, wenn der Verkehrssektor seine Umweltschutzverpflichtungen erfüllen und Ergebnisse erzielen soll, die den Beschäftigten und den Nutzer*innen öffentlicher Verkehrsmittel gerecht werden. Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen die Beschäftigten an den Entscheidungsprozessen mitwirken. Staatliche Investitionsentscheidungen müssen von Beschäftigten mit praktischen Kenntnissen in den Bereichen Verkehr und Umwelt angeleitet werden. Und wir müssen in die Entwicklung dieser Art von Kompetenzen investieren, insbesondere für weibliche und junge Beschäftigte.
Im Jahr 2022 werden zwei weitere IPCC-Berichte erwartet – einer über die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise und ein weiterer über die Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels. Diese werden uns helfen, den Weg in Richtung Zukunft zu finden, aber die Umsetzung der Pläne wird davon abhängen, ob die Verkehrsbeschäftigten maßgeblich an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Verkehrsgewerkschaften müssen bei den UN-Gremien, die den Verkehrssektor regulieren, mehr Gewicht haben und einen größeren Einfluss auf die nationalen Pläne haben, die aus der Weltklimakonferenz in Glasgow hervorgehen.