Die Regierung von Mauritius hat vor kurzem angekündigt, ihre Türen für Tausende nationaler Seeleute zu öffnen, die in aller Welt festsitzen – aber nur einen kleinen Spalt. Und es gibt einige Fallstricke.
Insel der Isolation: Die bisherige Politik von Mauritius
"Ich bin Seemann und möchte so wie jeder andere zurück nach Hause," schreibt Vishan Balkissoon.
Vishan ist einer von geschätzten 2.000 mauritischen Seeleuten, die verteilt auf 82 Häfen in aller Welt auf 21 ansonsten leeren Passagierschiffen gefangen sind. Sie befinden sich seit dem Beginn der Pandemie, die derzeit die Welt im Griff hält, auf diesen Schiffen, weit entfernt von ihren Familien und Freunden. Die Notlage der mauritischen Seeleute bewegte 2.000 Menschen – darunter auch Vishan – zur Unterzeichnung einer Petition, mit der die Regierung von Mauritius aufgefordert wird, ihm und Hunderten seiner Landsleute die Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen.
"Wir wissen von mehreren Crewmitgliedern, die während der Zeit des Wartens zuhause Angehörige verloren haben," heißt es in der von Crew Centre gestarteten Petition.
Einige der gestrandeten Seeleute haben todkranke Lebensgefährt*innen, die nur noch wenige Wochen oder gar Tage zu leben haben. "Mein Neffe konnte in der letzten Woche nicht einmal an der Beerdigung seines Vaters teilnehmen," so Indira, eine der vielen Familienangehörigen mauritischer Seeleute, die die Petition unterzeichneten. Es gibt Kinder, die auf die Rückkehr ihres einzigen Elternteils warten.
Die Regierung von Mauritius reagierte schon sehr früh mit rigiden Maßnahmen auf die Pandemie, indem sie ihre Grenzen für alle schloss, selbst für ihre eigenen Staatsangehörigen. Die vollständige Abriegelung gegenüber der Außenwelt sorgte dafür, dass die kleine Nation gemessen an anderen Ländern bei der Bekämpfung des Virus relativ gut abschnitt und gerade einmal 341 Fälle verzeichnet. Aber ein fast Covid-freies Paradies ist ein schwacher Trost für die Tausenden mauritischen Staatsangehörigen, die selbst weiter ihrer Isolation ausgesetzt sind – an Bord der Schiffe in aller Welt. "Mein Ehemann ist immer noch an Bord ... eine Schande für die Regierung von Mauritius," schreibt Beeharry.
Der ITF zufolge wächst die Zahl der Seeleute, die sich als Opfer der Crewwechsel-Krise seit über elf Monaten auf ihren Schiffen befinden, also länger, als laut Seearbeitsübereinkommen rechtlich zulässig ist. Manche sind sogar seit über 15 Monaten an Bord.
Viele Petent*innen, die ihre Brüder, Neffen, Liebsten und Partner*innen zuhause brauchen, beschreiben die schockierenden Bedingungen, denen die Seeleute in diesen "schwimmenden Gefängnissen" ausgesetzt sind. Einem Bericht zufolge sind die Besatzungsmitglieder stark traumatisiert und ihre psychische Gesundheit leidet unter der Angst. "Ich weiß, dass sie viele Probleme haben – Schlaflosigkeit, Depressionen, Geldmangel," heißt es in einem weiteren Bericht.
Seeleute von Kreuz- und Handelsschiffen herunterzuholen, ist zu einem dringenden humanitären Anliegen geworden. Grenzschließungen durch Hafen- und Transitländer sind bis vor kurzem ein Problem gewesen. Nun öffnen eine Handvoll von Ländern ihre Grenzen allmählich wieder, um Crewwechsel zu ermöglichen. Kanada und Hongkong haben gerade Crewwechsel-Protokolle eingeführt. Aber für die mauritischen Seeleute hat es wenig Sinn, in Vancouver oder Hongkong von Bord zu gehen, wenn ihr Heimatland sie nicht nach Hause fliegen lässt.
Selbst wenn ein Arbeitgeber aus Mauritius stammende Seeleute auf dem Seeweg heimschaffen will, wie viele Kreuzfahrtunternehmen in aller Welt es getan haben, erteilt ihm die mauritische Regierung keine Erlaubnis zum Anlegen und Ausschiffen der mauritischen Besatzungsmitglieder. Diese Blockade trat schon vor dem 22. März in Kraft, als die Hafenbehörde von Mauritius schlicht und ergreifend bekanntgab, dass Anträgen auf Crewwechsel bis auf Weiteres nicht entsprochen werde. Aber dieser harte Kurs beginnt nun zu bröckeln.
In einem jüngst veröffentlichten Video, das sich an den Premierminister von Mauritius Pravind Jugnauth richtet, baten zweihundert seiner Landsleute, die auf dem norwegischen Kreuzfahrtschiff Norwegian Epic festsitzen, ihr Staatsoberhaupt, die Grenze für seine eigenen Staatsbürger*innen zu öffnen und ihnen die Heimkehr zu erlauben.
Die Norwegian Epic ist für Besatzungsmitglieder unterschiedlicher Nationalitäten, die auf ihre Heimschaffung warten, zu einer Art schwimmendem Hotel geworden. Woche für Woche kehrten mehr Seeleute in ihre Heimatländer zurück. Ihre Regierungen halfen ihnen dabei. Die aus Mauritius stammenden Seeleute blieben zurück. Bis jetzt.
Ob der Sinneswandel auf den Appell an den Premierminister in den Medien oder auf einen anderen Grund zurückzuführen ist, die 200 auf der Norwegian Epic festsitzenden mauritischen Seeleute wurden jedenfalls am 28. Juni heimgeschafft.
Leider sind hinsichtlich der Rückkehr mauritischer Seeleute erfolgreiche Fälle wie der der Epic nach wie vor eher Ausnahme als Regel. In den letzten vierzehn Tagen wurden mehrere Kreuzfahrtschiffe abgewiesen, die versucht hatten, Besatzungsmitglieder nach Port-Louis, der Hauptstadt von Mauritius, zu bringen.
Zwangsgeld für die Rückkehr zur eigenen Familie
Im Juni schienen sich die Dinge jedoch zum Besseren zu wenden, als die Regierung von Mauritius ankündigte, die Türen – einen kleinen Spalt – für die Seeleute des Landes zu öffnen. Einer kleinen aber konstanten Anzahl werde die Rückkehr erlaubt. Der Inselstaat werde die staffelweise Aufnahme seiner eigenen Bürger*innen zulassen. Jeweils 150 Menschen.
Aber die neue Freundlichkeit der Regierung gegenüber den Seeleuten ihres Landes ist mit so manchen Fallstricken verbunden.
Erstens dürfen Besatzungsmitglieder nur nach Hause und zu ihren Familien zurückkehren, wenn der Arbeitgeber sie mit der staatlichen Fluggesellschaft Air Mauritius zurückfliegen lässt, die finanziell angeschlagen ist, seit Covid-19 die vom Tourismus abhängige Wirtschaft des Landes traf.
Diese Flüge sind teuer, es gibt nicht viele, und sie gehen nur von einer begrenzten Anzahl von Flughäfen aus. Es ist den Unternehmen nicht gestattet, für die Rückführung ihrer Crews Flüge bei anderen Fluggesellschaften zu buchen.
Zweitens erteilt die Regierung Seeleuten nur die Einreiseerlaubnis, wenn die Kreuzfahrtgesellschaften, die in ihren Häfen zum Crewwechsel anlegen, pro an Land kommendem Besatzungsmitglied 1.300 US-Dollar zahlen und die Kosten einer 15-tägigen Quarantäne und des Covid-19-Tests übernehmen. Wenn ein Crewmitglied positiv getestet wird, verlangt die Regierung noch mehr.
Diese kontroverse Politik, die alle Bemühungen um die Heimschaffung von Schiffsbesatzungen konterkariert, löst unter Seeleuten, ihren Familien und den Kreuzfahrtunternehmen, die für die Kosten aufkommen sollen, Bestürzung aus.
Akshaye Madoo, ein aus Mauritius stammender Verwaltungsangestellter bei der Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean International in Texas (USA), bezifferte die Heimschaffungskosten pro Besatzungsmitglied mit 2.600 US-Dollar. Die Rückführung der 4.000 mauritischen Seeleute, die Schätzungen zufolge auf Kreuzfahrtschiffen und Frachtern beschäftigt sind, würde somit insgesamt 10,4 Millionen US-Dollar kosten.
"Sie versuchen, den Kreuzfahrtunternehmen Geld abzupressen," erklärte Madoo voller Empörung in einem Aufruf auf Youtube, und fügte hinzu, dadurch würden Arbeitsplätze gefährdet. "Das ist ein Skandal, ein schwarzer Tag für mauritische Seeleute, denn wir können nicht in unser Heimatland zurückkehren."
Der Journalist Tom Casey zieht das Resümee, dass Tausende von Besatzungsmitgliedern auf Kreuzfahrtschiffen auf unbegrenzte Zeit im Ungewissen gelassen werden, als Opfer des Konflikts zwischen Kreuzfahrtunternehmen und Regierungen darüber, wer für ihre Heimschaffung aufkommen soll.
Schmutz und Verwahrlosung zur Begrüßung heimkehrender Seeleute
Während die Regierung von Mauritius bis vor kurzem klarstellte, sie wolle ihre Landsleute während dieser Pandemie nicht zurück in ihr Land lassen, haben es doch einige wenige, die die von Jugnauths Inselstaat verhängten Verordnungen und Geldforderungen durchschifften, ins Land geschafft und dort teilweise Bedingungen vorgefunden, die viel zu wünschen übrig lassen.
Aufnahmen von Seeleuten zeigen Schimmel an den Wänden von Isolationseinrichtungen, heruntergekommene, marode Gebäude, kakerlakenverseuchte Unterkünfte und schmutzige Wäsche. Dies mag zwar nicht auf alle Quarantäneanlagen zutreffen – aber selbst wenn es nur eine einzige beträfe, wäre es akzeptabel?
Für ein Land, das seinen wichtigen internationalen Tourismussektor wiederbeleben will, dürften die uns zugespielten Fotos katastrophal sein. Die Bilder bestätigen leider erneut die Geringschätzung, die die Regierung ihren Seeleuten entgegenbringt, und Unregelmäßigkeiten ihres Repatriierungsverfahrens.
Der Koordinator des ITF-Inspektorats Steve Trowsdale erklärte, die Regierung von Mauritius solle sich für die Behandlung ihrer Seeleute schämen.
"Dieses Land hat so erheblich von der Einreise internationaler Touristen und von den Einkommen tausender mauritischer Seeleute profitiert, die weltweit auf Kreuzfahrtschiffen und Frachtern harte Arbeit leisten. Es ist verabscheuungswürdig, dass es seinen eigenen Landsleuten in einer Notsituation den Rücken kehrt und sie noch zusätzlich kränkt, indem es ihnen für den einfachen Wunsch, an Land zu kommen und ihre Familien wiederzusehen, Geld abnötigt," so Trowsdale.
"Wir werden den Druck auf die mauritische Regierung aufrechterhalten. Das Land hat einen sehr wertvollen internationalen Ruf. Ein gutes globales Image geht mit der Verantwortung einher, Seeleuten dabei zu helfen, ihre Schiffe zu verlassen und in Würde und Respekt nach Hause zurückzukehren," mahnt Trowsdale.
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