In einer Rede auf dem "Transport Union and Manufacturers Summit" in Vatikanstadt erklärte ITF-Präsident Paddy Crumlin, dass die Globalisierung Erwerbstätige auf internationaler Ebene in einigen Schlüsselbereichen abgehängt habe, wenn man bedenke, dass 60 Prozent der Arbeitskräfte der Welt in der informellen Wirtschaft tätig seien, die Mehrzahl davon im Verkehr.
"Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der zunehmenden Macht der Unternehmen und der rückläufigen Entwicklung bei Arbeitnehmerrechten, Löhnen und Arbeitsplatzsicherheit," so Crumlin. "Wir Gewerkschaften müssen effektiver dafür sorgen, dass arbeitende Männer und Frauen in der Lage sind, die enormen Herausforderungen der modernen Welt zu bewältigen."
"Wir beobachten ein beispielloses Maß an Ungleichheit in der Welt, das auf die ungerechte Verteilung der Früchte des Wachstums, verstärkte Deregulierung und die zunehmende Aushöhlung der Menschenrechte, einschließlich Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten, zurückzuführen ist."
"Es ist als ein unsägliches moralisches Versagen zu werten, dass 26 Personen in der Welt so viel besitzen wie die ärmsten 50 Prozent. Wir müssen weiter gegen die multinationalen Unternehmen und öffentlichen Körperschaften Front machen, die sich weigern, in Einklang mit den echten Werten der oftmals geografisch verteilten Gesellschaften zu handeln, in denen sie operieren."
"Wir sind uns des Ausmaßes der Herausforderungen bewusst, denen wir gegenüberstehen. Moderne Sklaverei, Menschenhandel, die Ausbeutung von Arbeitskräften, Automatisierung und die allerschlimmsten Exzesse des modernen neoliberalen Kapitalismus werden zusammen mit der Klimakrise unvermeidbare und schädliche Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft haben, im Verkehrssektor und darüber hinaus. Dieser Gipfel zielt darauf ab, ein Fundament zu schaffen, auf dem wir ein globales Bewusstsein für diese Probleme aufbauen können."
In dieser Woche richteten die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) und der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften (PAS) das erste Gipfeltreffen von gewerkschaftlichen Führungskräften sowie Produzenten und Technologen aus aller Welt in Vatikanstadt aus. Darunter waren Abgesandte der ITF und ihrer Mitgliedsorganisationen, sowie von Deloitte, Transdev, MSC Shipping, Nuovo Trasporto Viaggiatori, Volvo, General Motors, Securing Americas Future Energy, Daimler Financial und Mobility Services.
Die Teilnehmer*innen verständigten sich auf eine gemeinsame Vision für die Inangriffnahme einiger der größten Herausforderungen, mit denen die moderne Gesellschaft konfrontiert ist, wie die Förderung sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Gerechtigkeit.
"In der heutigen Welt drückt sich unternehmerische Moral in Form von ökologischen, sozialen und die Governance betreffenden Prinzipien aus: dem Bekenntnis für den Schutz der Umwelt, sozialer Verantwortung für die Gewährleistung eines Gleichgewichts zwischen dem Erwerb von Wohlstand und seiner auf moralisch akzeptablen Grundlagen basierenden Umverteilung sowie einer Governance, die für ökologische und soziale Gerechtigkeit sorgt," erklärte Crumlin.
"Angesichts des Wettlaufs nach unten geraten Unternehmen, die im Grunde anständig handeln und korrekte Governance-Strategien verfolgen, zunehmend unter Druck, sich üble unternehmerische Verhaltensweisen anzueignen, um überleben zu können."
"Wir Gewerkschafter*innen müssen multinationalen Unternehmen, die diese Normen verlassen, die Stirn bieten. Nehmen wir zum Beispiel BHP, dessen schlechte Governance Umweltkatastrophen verursachte, wie den Bruch des Fundão-Damms in Brasilien im Jahr 2015, bei dem 14 Menschen ums Leben kamen, das Steuerumgehung betreibt und keinerlei soziale Verantwortung für seine Beschäftigten übernimmt, wenn es 80 Seeleute auf See unter Verletzung ihrer Rechte fristlos entlässt, alles nur aus unternehmerischer Habgier," kritisierte Crumlin.
Crumlin, der auch der Vorsitzende des einflussreichen Ausschusses für Arbeitnehmerkapital ist – einem internationalen Gewerkschaftsnetzwerk für Dialog und Aktion für eine verantwortungsvolle Investition des Arbeitnehmerkapitals – fuhr fort: "Aggressive Unternehmen nutzen schwache und willfährige politische Strukturen, wie einige Regierungen und Medienorganisationen, um zu vermeiden, von institutionellen Anlegern, wie internationalen Renten- und Pensionsfonds, zur Rechenschaft gezogen zu werden."
"Einschüchterungsversuche und Schikanen als Reaktion auf legitime Sorgen im Hinblick auf ökologische, soziale und Governance-Probleme sind ein weiterer Hinweis auf das Versagen der Governance-Strukturen in diesen Unternehmen, auch bei BHP."
Der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zufolge waren im Jahr 2017 40 Millionen Menschen Opfer moderner Sklaverei, 25 Millionen Menschen mussten Zwangsarbeit leisten. Im selben Jahr trieb das ITF-Inspektorat für Seeleute 38 Millionen US-Dollar an gestohlenen Heuern ein.
"Diese Zahlen schwanken zwar, sind aber langfristig stabil," erklärte ITF-Generalsekretär Stephen Cotton. "Heutzutage werden Beschäftigte zur Aufnahme einer prekären Beschäftigung ohne jegliche Sicherheit oder Sozialschutz gezwungen, wovon Frauen und junge Menschen überproportional betroffen sind. Und es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Gleichstellung, menschenwürdiger Arbeit und Klimagerechtigkeit."
"Die multinationalen Unternehmen am oberen Ende der Lieferkette müssen Verantwortung für die Millionen von Arbeitskräften übernehmen, die ihre Waren befördern. Wir brauchen Dialog und Zusammenarbeit, um Arbeitsplätze zu schützen, moderne Sklaverei zu beenden und Gewerkschaftsrechte zu wahren."
Cotton forderte, dass die ITF gemeinsam mit führenden Branchenakteuren, kirchlichen Organisationen und Sozialpartnern für den Schutz und die Förderung von Menschen- und Gewerkschaftsrechten eintreten müsse, um den Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft zu unterstützen.
"Dieser Gipfel bot Gewerkschaften und Unternehmen aus aller Welt eine Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen. Wir finden einen gemeinsamen Nenner in der Förderung sozialer Gerechtigkeit, menschenwürdiger Arbeit sowie von Gleichstellung und Gewerkschaftsrechten, aber wir brauchen Dialog, Zusammenarbeit, Vertrauen und gegenseitigen Respekt, um zusammen auf diese Herausforderungen zu reagieren. Die ITF ist bereit zu einem andauernden Dialog mit der katholischen Kirche und den in diesem Raum anwesenden Unternehmen. Wir hoffen, dies ist der Beginn einer Beziehung, in der wir unsere gegenseitige Verantwortung wahrnehmen können," schloss Cotton.
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