Professor Papa Sakho, Labor für Humangeographie, Université Cheikh Anta Diop, Dakar (Senegal)
Nach der Verhängung der Covid-19-Restriktionen im vergangenen Jahr kamen die öffentlichen Verkehrssysteme über Nacht fast zum Stillstand. In ganz Afrika haben Lockdowns und Social-Distancing-Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu einem geschätzten Einkommensrückgang von 81 Prozent geführt, wobei nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation allein in Westafrika rund 28 Millionen Vollzeitarbeitsplätze verloren gingen.
In Dakar wurden staatliche Hilfspakete zur Unterstützung des formellen Verkehrssektors bereitgestellt. Die senegalesische Regierung weiß, wie wichtig die informell Beschäftigten für die nationale Wirtschaft sind, und hat deshalb vor kurzem ein neues Ministeramt geschaffen, das für den informellen Sektor zuständig ist. Dabei wurde jedoch die Rolle der informellen Verkehrssysteme für die städtische Ökonomie nicht bedacht. Die Behörden haben es zudem versäumt, die informell Beschäftigten wirksam zu unterstützen, deren Lebensunterhalt größtenteils von ihrer Kundschaft abhängt und deren Situation in den offiziellen Statistiken nicht ohne Weiteres zu erfassen ist. Diese Vernachlässigung der informell Beschäftigten könnte Tausende von Familien in die Armut treiben und Senegals Fortschritte bei mehreren Zielen für nachhaltige Entwicklung beeinträchtigen, wie z. B. bei der Verringerung von Armut sowie geschlechtsspezifischer und anderer Ungleichheiten oder beim Aufbau widerstandsfähiger Volkswirtschaften und Städte.
Die Beschäftigten im informellen Verkehrssektor Dakars waren schon vor der Pandemie unzureichend geschützt, wie aus einem Bericht der Université Cheikh Anta Diop und des Global Labour Institute hervorgeht. Unser Bericht, der von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation in Auftrag gegeben wurde, beleuchtet die Sorgen und Erfahrungen der informell Beschäftigten im öffentlichen Verkehrssektor in Dakar. Basierend auf Daten, die vor der Pandemie erhoben wurden, stellt die Studie ein extremes Maß an Unsicherheit unter den informell Beschäftigten im informellen Verkehrssektor Dakars fest: Nur sechs Prozent gaben an, dass sie einen Arbeitsvertrag mit ihrem Arbeitgeber haben.
Zwei Drittel aller erfassten Beschäftigten (68,7 Prozent) hatten keinen regulären Arbeitsplatz, und 57 Prozent der befragten Personen erklärten, ihr Einkommen direkt aus den Fahrgeldeinnahmen zu beziehen. Besonders besorgniserregend ist die Feststellung, dass das geplante städtische Schnellbusprojekt (BRT) 5.000 bis 10.000 Arbeitsplätze im informellen Sektor gefährdet.
Derart massive Arbeitsplatzverluste müssen nicht sein. Durch die Formalisierung von Bereichen der informellen Verkehrswirtschaft Dakars und die Verringerung sozialer Ungleichheiten könnte das Schnellbussystem in Zukunft dazu beitragen, sowohl die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems zu stärken als auch den wirtschaftlichen Wohlstand der Stadt zu steigern. Für einen gerechten Übergang vom informellen zum formellen Verkehrssektor ist eine genauere Betrachtung der Strukturen der informellen Beschäftigung in Dakar erforderlich, ebenso wie eine Bewertung der potenziellen Auswirkungen des Schnellbussystems auf den Lebensunterhalt und die Arbeitsbedingungen der informell Beschäftigten. Dem Bericht zufolge wurden in den ersten Planungsphasen jedoch offenbar nur sehr wenige informell Beschäftigte konsultiert. Dies ist ein immer wieder festzustellendes Manko vieler afrikanischer Schnellbusprojekte.
Es gibt mehrere Dinge, die die senegalesischen Behörden und die großen Geber, wie die Weltbank, tun könnten, um ein wirklich transformatives BRT- und öffentliches Verkehrssystem zu schaffen. Erstens sollten die eigenen Vorschläge der Beschäftigten zur Formalisierung ihrer Branche Gehör finden. Dazu gehören ein verbesserter Sozialschutz und Regulierungsmaßnahmen, die sicherstellen, dass die Beschäftigten Arbeitsverträge und kürzere Arbeitszeiten haben. Es sollte mehr Möglichkeiten zur Berufsausbildung geben, insbesondere für Frauen, und informell Beschäftigte sollten bei der Einstellung von BRT-Personal bevorzugt werden. Zudem sollten die Arbeitsstätten verbessert werden, u. a. durch die Bereitstellung von Einrichtungen wie Toiletten und Unterständen sowie von Trinkwasser in Busbahnhöfen.
Zweitens sollten die Behörden die Beschäftigten unterstützen, deren Arbeitsplätze durch Schnellbussysteme verloren gehen, indem sie eine Entschädigung für Einkommensverluste zahlen und die Betroffenen in neue Bereiche versetzen. Es muss ferner mehr getan werden, um die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Schnellbussystemen zu analysieren. In den prekärsten Tätigkeitsbereichen des Verkehrssektors in Dakar arbeiten mehr Frauen als Männer, was bedeutet, dass sie wahrscheinlich am stärksten von der Automatisierung und der Einführung von Schnellbussystemen betroffen sein werden.
Dies sollte mit einer weitergehenden Analyse der Mikroökonomie des informellen Verkehrssektors, der Zubringerdienste und der Beschäftigteneinkommen einhergehen. Wie andere Untersuchungen gezeigt haben, gibt es kaum unabhängige Analysen über den Erfolg und Misserfolg sowie die Gesamtauswirkungen von Schnellbussystemen in Afrika, und es besteht die Tendenz, die Wechselwirkungen zwischen Schnellbussystemen mit anderen informellen Verkehrsträgern zu ignorieren. In dieser Hinsicht sind dringend weitere Untersuchungen erforderlich.
Letztendlich hängt der Erfolg von BRT nicht nur von einem durchdachten Konzept und einer guten Technik ab, sondern auch von langfristigen und integrativen Geschäftsmodellen, die den zugrunde liegenden Problemen der politischen Ökonomie des informellen Verkehrssektors Rechnung tragen. Wir haben jetzt die Chance, ein BRT-System zu schaffen, das sich in die Gesamtheit der öffentlichen Verkehrsträger in Dakar integriert und die Menschen - sowohl Fahrgäste als auch die informell und formell Beschäftigten - in den Mittelpunkt seiner Entwicklung stellt. Wir können es uns nicht leisten, bei öffentlichen Verkehrssystemen die Fehler zu wiederholen, die wir in der Zeit vor der Pandemie begangen haben.