Ein neuer Bericht bestätigt, dass Wanderarbeitskräfte während ihrer Arbeit im britischen Fischereisektor schrecklichen rassistischen und sexuellen Übergriffen sowie Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Die ITF fordert die britische Regierung auf, die Schlupflöcher in den Einwanderungsbestimmungen zu schließen, die dies ermöglichen.
"Dieser Bericht bestätigt die Unvereinbarkeit zwischen den britischen Einwanderungs- und internationalen Schifffahrtsgesetzen – und es sind die zugewanderten Fischereibeschäftigten, die den Preis dafür zahlen", sagte Stephen Cotton, Generalsekretär der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF). "Das Durcheinander hat einen perfekten Sturm der Verwundbarkeit für Fischer geschaffen, die mit Transitvisa für Seeleute 'legal' hierher gebracht wurden, nur um von den Betreibern der Fischereifahrzeuge ausgenutzt zu werden."
Cotton begrüßte den Bericht des Rights Lab der Universität Nottingham, der eine drückende Beweislast für die Ausbeutung von zugewanderten Fischereibeschäftigten durch einige britische Fischereibetriebe anführt.
"Der brisante Bericht bestärkt die ITF in ihrer Forderung an die britische Regierung, die Verwendung von Seeleute-Transitvisa für zugewanderte Fischereibeschäftigte zu beenden und zu einem System wie einem Facharbeitervisum überzugehen, das zugewanderten Fischereibeschäftigten einen besseren Schutz vor Missbrauch bietet", so Cotton.
Zwischen Juni und Oktober 2021 führte das Rights Lab der Universität Nottingham die erste unabhängige Grundlagenstudie über die Arbeitsbedingungen der Besatzungen der gesamten britischen Fischereiflotte durch. Sie erstellte 108 Umfragen und befragte 16 Fischer*innen aus dem Vereinigten Königreich, der EU, den Philippinen, Ghana, Indonesien, Indien und Sri Lanka.
Wichtigste Ergebnisse
Die Forschung in Nottingham ergab:
- 35 % der Fischer*innen gaben an, dass ihnen regelmäßig körperliche Gewalt zugefügt wird, einschließlich rassistischer Übergriffe und sexueller Gewalt
- Der durchschnittliche Lohn von zugewanderten Fischereibeschäftigten, die auf britischen Fischereifahrzeugen arbeiten, lag bei 3,51 Pfund pro Stunde und damit fast um das Dreifache niedriger als der nationale Mindestlohn
- 19 % der Teilnehmer*innen berichteten über Arbeitsbedingungen, die mit Zwangsarbeit vergleichbar sind
- 18 % der zugewanderten Fischereibeschäftigten mussten auf einem Schiff arbeiten, das nicht in ihrem Vertrag stand – ein klarer Verstoß gegen die Bedingungen ihres Transitvisums
- Die meisten zugewanderten Fischereibeschäftigten berichteten, dass sie übermäßig lange arbeiten müssen, was einen Verstoß gegen das Übereinkommen über die Arbeit im Fischereisektor, Übereinkommen C188 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), darstellt (und welches das Vereinigte Königreich 2019 ratifiziert hat):
- 60 % gaben an, mindestens 16 Stunden pro Schicht zu arbeiten
- 1 von 3 gab an, Schichten mit mehr als 20 Stunden zu arbeiten
- Über 60 % der Fischer*innen (einschließlich britischer Staatsangehöriger) gaben an, dass sie aus Angst, auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden, niemals einen Missstand melden würden
- 100 % der zugewanderten Fischereibeschäftigten von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) wurden mit einem Transitvisum für Seeleute in das Vereinigte Königreich gebracht
Transitvisa für zugewanderte Fischereibeschäftigte völlig ungeeignet – dringende Reform notwendig
Der Bericht von Rights Lab zeigt, dass zugewanderte Fischereibeschäftigte von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) nur einen Bruchteil der Löhne ihrer europäischen Kolleginnen und Kollegen erhalten, weil die Arbeitgeber das Visasystem ausnutzen – indem sie das ungeeignete Transitvisum für Seeleute nutzen, um Besatzungsleute anzuheuern.
Der Missbrauch von Transitvisa wurde Anfang dieser Woche von der ITF in ihrem Bericht A one way ticket to labour exploitation: how transit visa loopholes are being used to exploit migrant fishers on UK fishing vessels (Eine Reise ohne Rückfahrschein in die Ausbeutung: wie Schlupflöcher für Transitvisa zur Ausbeutung zugewanderter Fischereibeschäftigter auf britischen Fischereifahrzeugen genutzt werden) aufgedeckt.
Chris Williams, ITF-Fischereiexperte und Verfasser des ITF-Berichts über Transitvisa, reagierte auf die neue Recherche des Rights Lab: "Transitvisa für Seeleute sind völlig ungeeignet, um Wanderarbeitskräfte in die britische Fischereiindustrie zu bringen. Diese schockierenden Ergebnisse machen deutlich, dass viele Eigner von Fischereifahrzeugen sich die Ängste der Fischer*innen im Hinblick auf ihren Einwanderungsstatus zunutze machen, um die schwache Position der ausländischen Besatzung auszunutzen und sie länger und härter arbeiten zu lassen als die einheimische Besatzung, und das bei geringerer Bezahlung", sagte er.
"Die Fischer*innen befürchten, dass sie aus dem Vereinigten Königreich ausgewiesen oder auf eine schwarze Liste gesetzt werden, wenn sie den Mund aufmachen oder versuchen, ihre Schiffe zu verlassen, selbst, um nur kurz an Land zu gehen oder Missbrauch zu melden. Dies ist eindeutig inakzeptabel, und dennoch fallen diese Beschäftigten weiterhin durch das Netz der Regierung, weil es zwischen den Dienststellen an Klarheit mangelt und es immer wieder versäumt wird, das Schlupfloch zu schließen, das diese Kette der Ausbeutung zulässt", fügte Williams hinzu.
Abschließend sagte Stephen Cotton: "Menschenhandel und Zwangsarbeit werden weiterhin eine Bedrohung für philippinische, indonesische, indische und ghanaische Fischereibeschäftigte darstellen, die zur Arbeit im Vereinigten Königreich angeworben werden – darauf weisen wir seit vielen Jahren hin."
"Es ist höchste Zeit, dass das Vereinigte Königreich sein Haus in Ordnung bringt", sagte Cotton.
Zitate von Fischereibeschäftigten, die für den Bericht des Nottingham Rights Lab befragt wurden
- "Ich habe einen Schiffseigner sagen hören: Ich kann zwei bis drei ausländische Besatzungsmitglieder für den Preis von einem von euch einheimischen Jungs bekommen."
- "Ich nahm einen Kredit auf ... und musste die Schulden zurückzahlen, als ich nach Ghana zurückkehrte. Aber weil ich sechs Monate zu spät zurückkam, hatte ich dann viel mehr Schulden. Sie sagen, ich muss 17.000 Cedi bezahlen. Es sollten nur 10.000 Cedi sein. Du verstehst, 7.000 Cedi, weil ich nicht nach Hause gehen konnte."
- "Es ist einfacher, den Kopf einzuziehen und weiterzumachen, als nein zu sagen, wenn man wieder im Vereinigten Königreich arbeiten möchte."
- "Wegen des Visums musst du auf diesem Schiff bleiben. Wenn du dieses Schiff verlässt, um Hilfe zu suchen, dann kannst du vielleicht nicht arbeiten. Du wartest einfach nur ohne Geld. Oder wenn du um Hilfe bittest, rufen sie einfach die Agentur an und sagen, du hättest deine Visabedingungen nicht eingehalten und müsstest für deine Rückreise nach Hause bezahlen."
ENDE
Hinweise für Redaktionen:
- Letting exploitation off the hook? – Evidencing labour abuses in UK fishing wurde vom Rights Lab der Universität Nottingham erstellt und ist hier verfügbar.
- Der ITF-Bericht A one way ticket to labour exploitation: How transit visa loopholes are used to exploit migrant fishers on UK fishing vessels kann hier heruntergeladen werden.
Über die ITF: Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) ist ein demokratischer, von Mitgliedern geführter Zusammenschluss und als die weltweit führende Institution mit Zuständigkeit für den Verkehrssektor anerkannt. Wir kämpfen leidenschaftlich für die Verbesserung des Arbeitslebens und vernetzen Gewerkschaften aus 147 Ländern miteinander, um Rechte, Gleichheit und Gerechtigkeit für ihre Mitglieder zu sichern. Wir sind Sprachrohr für fast 20 Millionen erwerbstätige Frauen und Männer im Verkehrssektor weltweit, darunter über eine Million Seeleute.
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