Australische Schifffahrtsbehörden haben zwei Schiffe einer in der Kritik stehenden katarischen Reederei wegen schwerwiegender Arbeitsrechtsverletzungen festgesetzt, nur wenige Wochen nachdem die Besatzung eines anderen Schiffes der Aswan Trading and Contracting vor der Küste Kuwaits in den Hungerstreik getrieben wurde.
Damit ist nun die Hälfte der aus sechs Schiffen bestehenden Flotte des Unternehmens außer Betrieb. Aswan wurde im Jahr 2017 von Schifffahrtsaufsichtsbehörden auf die schwarze Liste gesetzt und der Vorstandsvorsitzende wird nach wie vor von den katarischen Strafverfolgungsbehörden gesucht.
Aswan lässt die Besatzung der Maryam ohne Strom und Treibstoff Port Kembla zurück
Die MV Maryam (IMO: 9272864) wurde erstmals am 19. Februar in Port Kembla (Neusüdwales) von der australischen Behörde für Seeverkehrssicherheit AMSA wegen 36 die Sicherheit und das Besatzungswohl betreffenden Mängeln festgesetzt. Als Inspektor*innen der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) am Morgen des 5. März an Bord des Kohlefrachters gingen, stießen sie auf viele weitere Gründe, warum das Schiff am Verlassen australischer Gewässer gehindert werden musste.
In Gesprächen mit dem Kapitän und der Besatzung des Schiffes stellten die Inspektor*innen fest, dass der Eigentümer des Schiffes, Aswan Trading and Contracting, in letzter Zeit mehrfach wichtige Lieferantenverträge nicht bezahlt hatte, so dass das Schiff keinen Treibstoff für Motor, Strom und Beleuchtung hatte. Während dieser Zeiträume von 3 bis 4 Tagen fiel der Strom für die Kühlschränke aus und Lebensmittel mussten weggeworfen werden. Ohne Beleuchtung, Klimaanlage oder Strom zum Aufladen von Mobiltelefonen und Kommunikationsgeräten brachte der fehlende Treibstoff und Strom das Wohlergehen und die psychische Gesundheit der Besatzung in ernste Gefahr. Die 23 Seeleute konnten nicht einmal duschen oder die Toilettenspülungen benutzen - sie mussten Eimer mit Wasser aus dem Meer ziehen.
Die AMSA hatte mehrere Probleme an den Hauptgeneratoren des 2004 gebauten Massengutfrachters festgestellt, so dass die Besatzung gezwungen war, das Notstromaggregat des Schiffes zu benutzen – für das ebenfalls der Treibstoff fehlte und dessen Filter defekt war. Es musste ein Generator an Land beschafft und an Bord gehievt werden, um das Schiff mit Strom zu versorgen.
Zu allem Überfluss erfuhren die Inspektor*innen, dass der Maryam noch einmal der gesamte Treibstoff ausgehen sollte - und zwar noch am selben Abend um 21 Uhr. Dringende Hilfe wurde benötigt.
Die ITF setzte sich mit der AMSA und der für Port Kembla zuständigen Abteilung der Hafenbehörde von Neusüdwales in Verbindung, um ihnen die gefährliche Situation, in der sich die Besatzung des Schiffes befand, zu melden. Auf das Drängen der ITF traf um 14 Uhr ein leerer Treibstofftank ein. Nach mehreren weiteren Telefonaten der ITF wurde um 19.30 Uhr von der Hafenbehörde ein voller Treibstofftank geliefert. Der zweite, volle Tank kam nur wenige Minuten nach dem Zeitpunkt, als die entmutigte Mannschaft den Generator abschaltete, weil sie glaubte, die Behörden würden ihr nicht zu Hilfe kommen. Ein weiterer Tank traf am 6. März um 4 Uhr morgens ein.
Die Treibstoffprobleme waren damit zwar gelöst, aber es gab an Bord des Massengutfrachters noch viele andere Probleme, die der ITF und der Besatzung Sorgen bereiteten.
Am 6. März wurden der Besatzung auf Druck der ITF von der Hafenbehörde von Neusüdwales in Port Kembla Lebensmittel im Wert von 3.000 australischen Dollar übergeben, darunter 1000 Liter abgefülltes Wasser, da die Besatzung nur noch einen Vorrat für wenige Tage im Laderaum hatte. Die Seeleute erhielten Mahlzeiten für mehrere Tage, damit sie nach wochenlanger Mangelernährung wieder zu Kräften kommen konnten.
Unglaublicherweise war die Besatzung in der Zeit vor dieser höllischen Tortur in einem australischen Hafen nicht einmal ordnungsgemäß bezahlt worden. Mehrere Seeleute wurden von Aswan weit unter den von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) festgeschriebenen Mindestlöhnen bezahlt, und die gesamte 23-köpfige Besatzung hatte noch nicht die ihr zustehenden Prämien erhalten. Nach vorläufigen Berechnungen der ITF beliefen sich die ausstehenden Heuern für die nicht gezahlten Prämien und die Unterschreitung der IAO-Mindestlöhne auf 27.978,50 US-Dollar.
Normalerweise nehmen manche Besatzungsmitglieder einen kleinen Teil ihrer Heuer an Bord in bar entgegen, um in Häfen Dinge für ihren Eigenbedarf zu kaufen, entweder über Einrichtungen, wie Mission to Seafarers, oder persönlich, wenn sie die Erlaubnis zum Landgang haben. Die Besatzung war vor dem Anlegen in Port Kembla 14 Tage lang auf See gewesen und der gewährte Landgang richtete sich nach den aktuellen Covid-Protokollen. Der Druck der ITF bewirkte, dass dem Kapitän des Schiffes am 17. März etwa 5000 US-Dollar in bar übergeben wurden. Er verteilte das Geld an die Crew, die damit einige kleine persönliche Dinge für sich kaufen lassen konnte.
ITF-Untersuchungen ergaben, dass die Beschäftigungsverträge von neun der 23 Seeleute an Bord am 11. März abgelaufen waren. Mehrere waren schon seit sechs Monaten an Bord, andere erst drei. Es verstößt gegen das Seearbeitsübereinkommen, wenn ein Reeder Seeleute mit abgelaufenen Verträgen auf seinen Schiffen arbeiten lässt.
Bevor die Maryam Port Kembla verlassen darf (und damit wieder Geld für den auf der schwarzen Liste stehenden Eigentümer einbringt), muss Aswan eine Reihe von “Mängeln” beheben, die von der AMSA festgestellt wurden. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört die Heimschaffung von neun Besatzungsmitgliedern, deren Verträge abgelaufen sind und die in die Türkei, nach Indien und Georgien zurückkehren wollen. Nach dem Seearbeitsübereinkommen sind Arbeitgeber verpflichtet, Heimflüge und andere Maßnahmen zur Heimschaffung von Seeleuten zu organisieren und zu bezahlen. Während der Covid-19-Pandemie schließt dies auch die Aufwendungen für Quarantäne und Covid-Tests ein.
Wie die ITF erfuhr, traf Aswan Ende letzter Woche Vorkehrungen zur Beschaffung von Teilen zur Reparatur der Generatoren. Gutachter einer Klassifikationsgesellschaft haben das Schiff am Mittwoch inspiziert und sind angeblich von Awan für ihre Dienste bezahlt worden.
Zweites Schiff der Aswan-Flotte in entlegenen Gewässern vor Queensland festgesetzt
Die Maryam ist das zweite Schiff der Aswan-Flotte, das im letzten Monat von der AMSA festgesetzt wurde. Der unter panamaischer Flagge fahrende Massengutfrachter MV Movers 3 (IMO: 9250244) wurde vor drei Wochen in Weipa gestoppt.
Weipa ist die größte Stadt an der Westseite der Kap-York-Halbinsel in Queensland und dient als Hafen für die größte Bauxitmine von Rio Tinto in Australien, etwa 2.800 Kilometer von Brisbane, der Hauptstadt des Bundesstaates, entfernt.
Nach von australischen Behörden bestätigten Berichten wurde die Movers 3 in den letzten Wochen zuerst festgesetzt, dann wieder freigelassen, um dann erneut festgesetzt zu werden.
Die Maschine des Schiffes hat so schwerwiegende Schäden, dass die Behörden dem Schiff nicht die Genehmigung zum Einlaufen in den Innenhafen von Weipa erteilen. Stattdessen ankert es weiter im Außenhafen von Weipa.
Aufgrund der Maschinenschäden kann das Schiff nicht angetrieben werden, was notwendig ist, um sauberes Wasser zu gewinnen, das an Bord für Duschen, Toiletten und Abwasch benötigt wird. Auf Schiffen wie der Movers 3 geschieht dies in der Regel, indem die heißen, leistungsstarken Motoren Süßwasserdampf aus dem umgebenden Salzwasser erzeugen. Die Trinkwasservorräte an Bord gehen in dieser Woche zur Neige und die lokalen Behörden versuchen, eine Lösung zu finden, um Wasser an Bord zu laden.
Die Maschinenprobleme sind ein Zeichen für kritische Wartungsdefizite und könnten auf schwerwiegendere Probleme hinweisen, sagen lokale Inspektor*innen, die mit dem Fall befasst sind. Gutachter der Klassifikationsgesellschaft gingen am Montag an Bord des Schiffes, um die Probleme zu untersuchen.
Ein anhaltendes Problem, das das Wohlbefinden der Besatzung beeinträchtigt, sind die defekten Gefrierschränke des Schiffes, wodurch die Besatzung gezwungen ist, Fleisch und andere Lebensmittel wegzuwerfen. Das Problem mit den Gefrierschränken wurde zwar in den letzten Tagen endlich gelöst, war jedoch für den Koch des Schiffes eine solche Belastung, dass er kündigte und um Heimschaffung in die Türkei bat. Er wurde gestern von Bord geholt. Vor der Rückkehr in sein Heimatland muss der Koch 14 Tage lang in der staatlichen Quarantäneeinrichtung in Cairns bleiben.
Die restlichen Besatzungsmitglieder, türkische und jordanische Staatsangehörige, befinden sich seit drei bzw. sechs Monaten auf dem Schiff. Sie machen sich jedoch Sorgen, dass Aswan ihre versprochenen Prämien zurückhalten könnte, da das Unternehmen sich nach wie vor auch um seine Crew an Bord der Ula in Kuwait nicht kümmert und in Port Kembla noch nicht einmal einfache Dieselrechnungen bezahlt. Die ITF ist noch dabei, das Ausmaß möglicher Arbeitsrechtsverletzungen durch Aswan gegenüber der Besatzung an Bord der Movers 3 zu ermitteln.
Das dringendste Problem der Besatzung ist der Mangel an frischem Wasser und Lebensmitteln. Berichten zufolge bezahlte und stellte Rio Tinto zwei kleine LKW-Ladungen mit Vorräten im Wert von etwa 3000 australischen Dollar zur Verfügung. Die Tatsache, dass es überhaupt notwendig war, Notvorräte von einem Bergwerkskonzern finanzieren zu lassen, lässt die ITF-Inspektor*innen darauf schließen, dass Aswan erhebliche Liquiditätsprobleme hat.
Rio Tinto betreibt die Bauxitmine bei Weipa und ist der größte Nutzer des Hafens von Weipa. Das Unternehmen Comalco errichtete die Bergbaustadt in den 1960er Jahren, nachdem es erfolgreich Lobbyarbeit betrieben hatte, um das indigene Eigentum und den Reservatsstatus des Ureinwohnergebietes zugunsten des Abbaus von Bauxit, dem Hauptbestandteil bei der Aluminiumherstellung, aufzuheben. Aus Comalco wurde schließlich Rio Tinto Aluminium.
Die im Jahr 2002 gebaute Movers 3 kam aus dem Hafen von Liuheng nahe bei Shanghai (China) nach Weipa. Es ist unklar, ob die Schiffe der Aswan-Flotte in den laufenden Handelskrieg hineingezogen wurden, der Dutzende von Schiffen mit australischer Fracht betrifft, die von den chinesischen Behörden daran gehindert wurden, ihre Ladung in den Häfen des Landes zu löschen.
Die auf der schwarzen Liste stehende Reederei Aswan trieb Crew in Kuwait in den Hungerstreik
Aswan Trading and Contracting ist ein der ITF und ihren Inspektor*innen wohlbekannter Name.
Die Schifffahrtsgesellschaft machte im Januar dieses Jahres Schlagzeilen, als 19 Seeleute an Bord ihres Massengutfrachters MV Ula im Hafen von Shuaiba (Kuwait) in einen verzweifelten Hungerstreik traten. Zu dem Zeitpunkt waren die Seeleute bereits seit 14 Monaten von der Reederei im Stich gelassen worden, inzwischen sind es fast 17 Monate. Aswan schuldet den Seeleuten an Bord der MV Ula über 410.000 US-Dollar an Heuern sowie die Bezahlung der Heimflüge.
Die ITF hat die Besatzung juristisch unterstützt, und es wurde ein Anwalt beauftragt, ihr zu helfen. Die ITF bemühe sich, die kuwaitischen Behörden dazu zu bewegen, sich für sie einzusetzen, erklärte Mohamed Arrachedi, der Koordinator des ITF-Netzwerks für die arabische Welt und den Iran.
“Aber letztendlich sitzt die Besatzung der MV Ula noch immer ohne Heuern auf diesem Schiff fest und ist auf sich allein gestellt, weil Aswan Trading and Contracting seinen Pflichten nicht nachkommt.”
“Sie haben die Besatzung der Ula schikaniert, und obwohl sie überführt wurden, sieht es den Vorfällen auf der Maryam und der Movers 3 nach zu urteilen so aus, dass sie seitdem weiterhin Seeleute auf anderen Schiffen schikanieren. Meiner Meinung nach sollten die australischen Behörden darauf achten, dass ihnen diese Schiffe nicht entwischen, bevor sie nicht völlig sicher sind, dass Aswan all seine Verpflichtungen gegenüber seinen Seeleuten erfüllen kann und wird,” so Arrachedi.
Die AMSA sollte Aswan aus den australischen Gewässern verbannen – ITF
Nach Meinung der ITF müssen die australischen Behörden den Druck auf Aswan, die katarische Reederei, die im Mittelpunkt der zunehmenden Verstöße in einer wachsenden Zahl von Gerichtsbarkeiten steht, drastisch erhöhen.
“Dieses Unternehmen verstößt notorisch gegen Regulierungspflichten und das Seearbeitsübereinkommen. Zwei seiner Schiffe werden derzeit in Australien von der AMSA festgehalten, und eines wurde mitsamt seiner Besatzung in Kuwait im Stich gelassen,” sagte Ian Bray, der ITF-Koordinator für Australien.
Die ITF wolle, dass das Unternehmen die ausstehenden Heuern und Prämien auszahle und seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den beiden Besatzungen erfülle - einschließlich der Heimschaffung derjenigen, deren Verträge bereits abgelaufen sind, so Bray.
“Wir fordern die AMSA auf, die Einhaltung der australischen Gesetze und des Seearbeitsübereinkommens, das Australien ratifiziert hat, durchzusetzen. Unternehmen wie Aswan sollten Konsequenzen fürchten, wenn sie unsere Gesetze brechen und die Rechte der Seeleute verletzen.”
Auf der ganzen Welt werden Seeleute von Aswan missbraucht, ausgebeutet oder im Stich gelassen. Das Unternehmen wurde von den ausländischen Behörden auf die schwarze Liste gesetzt und einer seiner Bosse ist auf der Flucht vor der katarischen Polizei: Wenn das keine Gründe sind, es zu verbannen, weiß ich nicht, was sonst,” erklärte Bray.
ENDE
Die Fakten:
- Ian Bray steht auf Anfrage für Interviews zur Verfügung.
Über die ITF: Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) ist ein demokratischer, von Mitgliedern geführter Zusammenschluss und als die weltweit führende Institution mit Zuständigkeit für den Verkehrssektor anerkannt. Wir kämpfen leidenschaftlich für die Verbesserung des Arbeitslebens und vernetzen Gewerkschaften aus 147 Ländern miteinander, um Rechte, Gleichheit und Gerechtigkeit für ihre Mitglieder zu sichern. Wir sind Sprachrohr für fast 20 Millionen erwerbstätige Frauen und Männer im Verkehrssektor weltweit, darunter über eine Million Seeleute.
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