Wenn der Seemann Mohammad Aisha heute Nacht ein Flugzeug besteigt, um in sein Heimatland Syrien zurückzufliegen, endet damit ein vierjähriger Kampf, während dem er gezwungen war, an Bord eines im Suezkanal zurückgelassenen Schiffs auszuharren, bis dieses verkauft würde.
Aisha ist nun frei, weil die ITF anbot, einen ihrer Gewerkschaftsvertreter in Ägypten an seiner Stelle als gesetzlichen Bewacher des Schiffs an Bord zu schicken.
Aisha war gerade einmal zwei Monate als Erster Offizier an Bord der unter bahrainischer Flagge fahrenden MS Aman (IMO 9215517) tätig, bevor das Schiff aufgrund abgelaufener Sicherheitszertifikate von den ägyptischen Behörden festgesetzt wurde.
Als der Eigner das Schiff zurückließ, bestimmte ein ägyptisches Gericht Aisha zum “gesetzlichen Bewacher” des Schiffs, wodurch es ihm verboten war, die Aman zu verlassen, bis das Schiff verkauft oder eine Ersatzperson gefunden würde.
Das Schiff hatte keinen Strom und es wimmelte von Insekten und Ratten. Aisha musste an Land schwimmen, um sein Telefon aufzuladen und Lebensmittel und Wasser zu besorgen.
Vorschlag der ITF führt zum Durchbruch
Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF), der globale Gewerkschaftsverband für Seeleute, hat Aishas Fall fast täglich bei den ägyptischen Hafen- und Einwanderungsbehörden vorgebracht.
Der Koordinator des ITF-Netzwerks für die arabische Welt und den Iran Mohamed Arrachedi erklärte, dass es nach Monaten der Frustration über die Untätigkeit des Schiffseigners, des bahrainischen Flaggenregisters und der ägyptischen Behörden letzte Woche zum Durchbruch kam. Die ITF bot dem Gericht an, einen ihrer Gewerkschaftsvertreter in Ägypten anstelle von Aisha als gesetzlichen Bewacher des Schiffs an Bord zu schicken.
“Als wir vorschlugen, dass eine unserer ITF-Kontaktpersonen den Platz von Mohammad Aisha einnehmen könnte, wurde dies vom Gericht akzeptiert, sodass wir die notwendigen Einreiseverfahren vorantreiben und Covid PCR-Tests organisieren konnten, um seine Heimschaffung in die Wege zu leiten.”
“Mohammad hat vier Jahre seines Lebens verloren.”
“Dies ist einer der frustrierendsten Fälle von Zurücklassung, mit denen ich je zu tun hatte, weil die Situation für Mohammad über so lange Zeit so aussichtslos war. Man muss klar sagen, dass das Leid, das Mohammad zugefügt wurde, absolut hätte vermieden werden können, wenn der Schiffseigner und die anderen beteiligten Parteien, die ihm und dem Schiff gegenüber in der Pflicht standen, von Anfang an das Richtige getan hätten.”
“In den letzten vier Jahren hat sich so viel verändert. Mohammads Haus in Syrien ist möglicherweise nicht wiederzuerkennen. Einige seiner Familienmitglieder sind vor Jahren gestorben. Diese Verzögerungen haben zur Folge, dass er seine Mutter nie wiedersehen kann, und das ist unendlich traurig.”
“Mohammad hat vier Jahre seines Lebens verloren.”
Arrachedi berichtete, dass Aisha noch nicht wirklich fassen kann, dass sein Alptraum an Bord der Aman nun zu Ende ist.
“Er ist natürlich überglücklich, aber auch sehr erschöpft. Es gab so viele Fehlstarts bei den Bemühungen, ihn wieder nach Hause zu bringen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er das Flugzeug bestieg, war für uns nichts sicher,” so Arrachedi.
Der Seemann schilderte der BBC seine Gefühle kurz vor dem Start des Flugzeugs. “Wie ich mich fühle? Als würde ich aus dem Gefängnis entlassen. Ich werde endlich wieder mit meiner Familie vereint sein. Ich werde sie wiedersehen.”
Unbeirrt von den vier Jahren an Bord der Aman sagte Mohammad Arrachedi, dass er nach wie vor eine Berufslaufbahn in der Seefahrt anstrebt.
“Wir wünschen ihm von Herzen alle Kraft der Welt, damit er sein Leben wiederaufbauen kann,” sagte der Koordinator.
Aishas Fall ist allerdings noch nicht beendet, da der globale Gewerkschaftsverband für die Auszahlung seiner ausstehenden Heuern kämpft – ein Kampf, der oft erforderlich ist, wenn Reeder ihre Schiffe aufgeben.
“Es ist absolut inakzeptabel, dass es immer die Seeleute sind, die die sehr hohen Kosten einer Zurücklassung zahlen müssen. Die Aufgabe von Schiffen ist das Krebsgeschwür der Schifffahrtsindustrie und muss ausgemerzt werden,” fordert Arrachedi.
Das System der gesetzlich angeordneten Bewachung von Schiffen muss reformiert werden
Für Arrachedi wirft der Fall von Mohammad Aisha ein wichtiges Schlaglicht auf das problematisch ägyptische System der gesetzlich angeordneten Bewachung von Schiffen bei der Zurücklassung von Seeleuten.
“Die Einsetzung von Seeleuten als gesetzliche Bewacher verursacht enorme Probleme und großes Leid für die Seeleute.”
Aishas Fall ähnelt dem von Vehbi Kara, einem türkischen Kapitän, der monatelang auf einem Schiff im Suezkanal festsaß, nachdem ein ägyptisches Gericht ihn zum gesetzlichen Bewacher der von ihrem Reeder aufgegebenen MS Kenan Mete (IMO 8701935) bestimmt hatte. Der Anwalt der ITF sorgte dafür, dass Kapitän Kara in ein nahegelegenes Hotel gebracht wurde, aber er kann Ägypten weiterhin nicht verlassen.
ENDE
Hinweise:
- Zum Schutz des Wohlergehens von Mohammad Aisha wird die ITF keine Medieninterviews mit ihm anbieten oder arrangieren.
- Wir weisen darauf hin, dass die ITF nicht in der Lage ist, Anfragen für Interviews mit Herrn Arrachedi zu erfüllen und bitten die Medien, die oben angegebenen Kommentare zu verwenden.
Über die ITF: Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) ist ein demokratischer, von Mitgliedern geführter Zusammenschluss und als die weltweit führende Institution mit Zuständigkeit für den Verkehrssektor anerkannt. Wir kämpfen leidenschaftlich für die Verbesserung des Arbeitslebens und vernetzen Gewerkschaften aus 147 Ländern miteinander, um Rechte, Gleichheit und Gerechtigkeit für ihre Mitglieder zu sichern. Wir sind Sprachrohr für fast 20 Millionen erwerbstätige Frauen und Männer im Verkehrssektor weltweit, darunter über eine Million Seeleute.
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