- Verantwortlichkeit am oberen Ende der Lieferketten und Verbesserungen bei der Bezahlung, den Arbeitsbedingungen und der Sicherheit des Fahrpersonals können Engpässe und Sicherheitsprobleme mit einem Schlag lösen.
- Ausgehend von Australien und Korea kämpfen Beschäftigte nun weltweit mit Aktionen für sichere Frachtsätze, faire Bedingungen und die Regulierung der Lieferkette.
Nach Informationen der Transport Workers Union (TWU) kamen allein in der letzten Woche in Australien zehn Menschen bei Lkw-Unfällen ums Leben. Dies ist nur eine der schrecklichen Folgen von fehlerhaften Geschäftsmodellen im heutigen Straßentransport.
Ein Streik von australischen Verkehrsbeschäftigten beim Logistikunternehmen StarTrack wird heute [21. Oktober] den Auftakt zur Aktionswoche der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) für menschenwürdige Arbeit und Sicherheit im Straßentransport geben, wobei die Aktionen in Australien in der nächsten Woche möglicherweise fortgesetzt werden.
Die TWU fordert von den Verkehrsunternehmen, Arbeitsplatzsicherheit zu gewährleisten, und von der australischen Bundesregierung, ein unabhängiges Tribunal zu schaffen, um gerechte Tarife festzulegen und den Wettlauf nach unten in der Branche zu stoppen.
“Beschäftigungssicherheit und Arbeitsplatzgarantien von den Arbeitgebern im Straßentransport sind ein wichtiger erster Schritt, um die Sicherheit und den Schutz der Lieferketten zu gewährleisten,” erklärte der ITF-Generalsekretär Stephen Cotton. “Aber eine wirklich branchenweite Lösung wird nur möglich sein, wenn die Unternehmen am oberen Ende der Lieferketten Verantwortung für die Bedingungen und die Sicherheit der Fahrer*innen übernehmen.”
“Deshalb ist die Forderung der TWU nach einem neuen Tribunal, das die Branchennormen festlegt und diese wirtschaftlichen Arbeitgeber zur Verantwortung zieht, so wichtig. Es besteht nachweislich ein Zusammenhang zwischen langen, unsozialen Arbeitszeiten, die manche Fahrer leisten müssen, und der Unfallquote auf den Straßen. Der Druck geht von oben von multinationalen Einzelhändlern aus, die Straßentransportdienste in Auftrag geben. Bei dieser Aktionswoche geht es nicht nur um mehr Beschäftigungssicherheit. Es geht um die Rettung von Menschenleben und die Schaffung einer nachhaltigen Branche.”
Der richtige Zeitpunkt für Aktionen
Die Aktionswoche findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Risse in den globalen Lieferketten immer größer werden und viele Länder über Fahrermangel und Engpässe in den Häfen klagen.
“Das mag auf den Wirtschaftsaufschwung nach Covid-19 zurückzuführen sein,” so Cotton, “aber in Wahrheit hat die von vielen Online-Händlern angewandte Daumenschraubenmethode - der so genannte ‘Amazon-Effekt‘ - zu unhaltbaren Geschäftsmodellen im Straßenverkehr geführt. Die Lösung liegt auf der Hand: Gebt den Fahrern vernünftige Löhne und Bedingungen, und der Fahrermangel ist beseitigt.”
In Südkorea haben Lkw-Fahrer*innen für einen Streik gestimmt und werden zu Beginn der Aktionswoche ihre geplanten Maßnahmen zur Forderung von Gesetzen für sichere Frachtsätze (Safe Rates) bekanntgeben. In Südkorea wurde ein “Safe Rates”-System eingeführt, das im Interesse einer erhöhten Straßenverkehrssicherheit Mindestnormen für die Bezahlung und die Bedingungen von Berufsfahrer*innen festlegt. Große Logistikunternehmen und ihre Kunden fordern jedoch eine Abschaffung des Systems, obwohl es eindeutig funktioniert. Weltweit werden Gewerkschaften mit Solidaritätsaktionen vor koreanischen Botschaften dazu Stellung beziehen.
“Wir sind zutiefst berührt von der Solidarität von Gewerkschaften in aller Welt, die gemeinsam mit uns ihre Stimme dafür erheben, das südkoreanische Safe Rates-System zu schützen und auszuweiten,” erklärte Bongju Lee, der Vorsitzende des Fachbereichs Straßentransport der Koreanischen Gewerkschaft der Angestellten bei öffentlichen Diensten und Verkehr. “Wir gehen mit dem Bewusstsein in diesen Kampf, dass der Einsatz für sichere Frachtsätze in Südkorea ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung unsicherer und unhaltbarer Bedingungen in den Lieferketten des Straßentransportsektors ist.”
Straßentransportgewerkschaften protestieren gegen den weltweiten Mangel an menschenwürdigen Arbeitsplätzen
Überall in Nordamerika und Europa gibt es Staus in den Lieferketten und der Bedarf an Fahrpersonal erreicht ein kritisches Niveau.
Anfang dieses Monats kündigte die britische Regierung eine befristete Visaregelung für ausländische Lkw-Fahrer*innen an, um die Versorgung der Tankstellen und Einzelhandelsregale zu gewährleisten. In den USA ist Präsident Biden persönlich eingeschritten, um Engpässe im Hafen von Los Angeles zu beseitigen, die zum Teil auf einen Mangel an Lkw-Fahrpersonal zurückzuführen sind. Nach seinem Treffen mit Gewerkschaften, Logistikunternehmen und Hafenbetreibern, werden der Hafen und seine Fahrer*innen nun rund um die Uhr arbeiten.
“Das Problem liegt weniger in einem Mangel an Fahrpersonal, als vielmehr in einem Mangel an menschenwürdigen Arbeitsplätzen,” erklärte Jim Hoffa, Präsident der International Brotherhood of Teamsters und Vorsitzender der ITF-Sektion Straßentransport.
“Fahrer*innen in Häfen werden falsch eingestuft. Sie erhalten oft nicht einmal eine existenzsichernde Bezahlung und werden schlecht behandelt. Die Einzelhändler an der Spitze der Lieferketten, die von dieser untragbaren Situation profitieren, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Wir freuen uns, in dieser Woche an der Seite der Straßentransportbeschäftigten zu stehen und eine Lösung für diese Krise vorzulegen.”
Ein Gericht in Kalifornien verurteilte XPO Logistics kürzlich dazu, 784 derzeitigen und ehemaligen Fahrer*innen 30 Millionen US-Dollar zu zahlen. Es gab den Klagen der Fahrer*innen statt, wonach sie rechtswidrig als Auftragnehmer und nicht als Arbeitnehmende eingestuft worden seien. Ein neues Gesetz, das Anfang dieses Monats verabschiedet wurde, macht Einzelhändler, die Verträge mit XPO abschließen, in künftigen Fällen von Fehleinstufung mitverantwortlich.
Aktionswoche für menschenwürdige Arbeit und Sicherheit im Straßentransport
Die ITF-Aktionswoche für menschenwürdige Arbeit und Sicherheit im Straßentransport dauert vom 21. bis zum 28. Oktober. In dieser Woche werden ITF-Gewerkschaften rund um den Globus Aktionen durchführen – von der Übergabe von Briefen an koreanische Botschaften, in dem sie ihre Solidarität und Unterstützung für das koreanische Safe Rates-Modell zum Ausdruck bringen, bis hin zur Lobbyarbeit bei Regierungen und Unternehmen für menschenwürdige Arbeit und Sicherheit im Straßentransport gemäß den im Jahr 2019 verabschiedeten IAO-Leitlinien für den Straßentransport.
Zusätzlich zu sicheren Frachtsätzen propagiert die ITF die Leitlinien als eine Lösung, die Regierungen, Transportunternehmen und Kunden für die Einhaltung von Normen verantwortlich macht, die für alle Fahrer*innen gelten, unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus und -verhältnis. Diese Normen beziehen sich auf:
- Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen
- Arbeitsschutzprotokolle, Schulungen und Präventivmaßnahmen
- Transparente Dokumentations- und Vergabepraktiken
- Ausweitung der Beschäftigung von Frauen durch ein verbessertes Lieferkettenmanagement, das die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Verhinderung von Gewalt und Belästigung sowie geeignete sanitäre Einrichtungen gewährleistet
- Sorgfaltspflicht für Menschenrechte
- Überprüfung und Durchsetzung
Im Rahmen der Aktionswoche planen Gewerkschaften in fast zwanzig Ländern Aktionen zur Unterstützung besserer Bedingungen und zur Regulierung der Lieferkette in der Branche, nämlich in Uganda, Senegal, Kenia, den Komoren, Neuseeland, Australien, Südkorea, Pakistan, Nepal, Indien, Mauritius, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Italien, Schweden, Spanien, Palästina und den Vereinigten Staaten.