Genf (Schweiz), 29. November 2021 – Der Global-Unions-Rat (GUR), der über 200 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt, hat Großbritannien, die Schweiz, Deutschland und die EU-Kommission aufgefordert, die Bemühungen um eine Ausnahmeregelung auf Impfstoffpatente nicht länger zu blockieren. Der größte Rat globaler Gewerkschaften ist der Ansicht, dass diese Woche Maßnahmen ergriffen werden müssen und können, um die Impfstoffproduktion im globalen Süden umgehend zu ermöglichen.
Die Forderung der Gewerkschaften nach einem Verzicht der Welthandelsorganisation (WTO) auf geistige Eigentumsrechte für Covid-Impfstoffe kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem uns die neue Omikron-Variante aus Ländern erreicht, denen das Recht verweigert wurde, ihre eigenen Impfstoffe herzustellen. Auch unterstützt die Forderung der Gewerkschaften die neue Dynamik und Dringlichkeit seitens führender Politiker*innen der Welt. Präsident Biden und das Europäische Parlament – die einzige von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte EU-Institution – hatten ihre Forderungen nach einem Verzicht auf geistige Eigentumsrechte für Impfstoffe erneut bekräftigt.
Die für diese Woche vorgesehene Ministerkonferenz in Genf (Schweiz) wurde aufgrund der von Omikron ausgehenden Risiken verschoben. Die Regierungen wollten darüber entscheiden, ob eine Ausnahmeregelung zu den handelsbezogenen Aspekten der Rechte an geistigem Eigentum (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights – TRIPS), dem weltweit umfassendsten multilateralen Übereinkommen über geistiges Eigentum, für Covid-Impfstoffe und Lieferungen endlich genehmigt wird.
Um eine solche Ausnahmegenehmigung zu erwirken, kann der TRIPS-Rat jederzeit einberufen werden, um dem Allgemeinen Rat der WTO einen schriftlichen Vorschlag zu unterbreiten, der dann formalisiert wird. Eine solche Ausnahmeregelung wurde erstmals im Oktober 2020 von Südafrika und Indien vorgeschlagen und wird inzwischen von über 100 Ländern unterstützt. Dennoch wird dieser Vorschlag nach wie vor von einer Handvoll wohlhabender Länder blockiert, darunter Großbritannien, die Schweiz und Deutschland, wo große Pharmaunternehmen ihren Hauptsitz haben.
Trotz der Verschiebung der Ministerkonferenz könnten die Regierungen noch in dieser Woche Sofortmaßnahmen ergreifen, um die Ausnahmeregelung zu genehmigen. Die Generaldirektorin der WTO, Dr. Ngozi Okonjo-Iweala, betonte, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden müssen und die Delegierten "voll befähigt sein sollten, so viele Lücken wie möglich zu schließen", denn "diese neue Variante erinnert uns einmal mehr an die Dringlichkeit der Arbeit, mit der wir beauftragt sind."
Die Gewerkschaften sind der Ansicht, dass wir die Welt impfen können, wenn Großbritannien, die Schweiz und Deutschland ihren Widerstand gegen die TRIPS-Ausnahmeregelung, die Aufhebung von Patenten, den Schutz nicht offengelegter Informationen und den Technologietransfer aufgeben. Der Global-Unions-Rat (GUR) zitiert eine Studie der Universität Oxford (Großbritannien), die einen Weg aufzeigt, wie die Weltgemeinschaft regionale Zentren einrichten kann. Diese wären in der Lage, bis Mai 2022 acht Milliarden Dosen Impfstoff zu produzieren, um die Pandemie zu beenden.
Stephen Cotton, aktueller Vorsitzender des GUR und Generalsekretär der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF), erklärte: "Ich wende mich direkt an die Staatsoberhäupter Großbritanniens, Deutschlands und der Schweiz, wenn ich Folgendes sage: Ihre Entscheidungen gefährden das Leben und die Existenz von Millionen von Menschen. Die Welt schaut auf Sie, während sich Panik und Angst angesichts des Auftretens einer neuen Variante ausbreiten, die vielleicht hätte verhindert werden können, wenn Sie früher gehandelt hätten. Die Ausnahmeregelung kann diese Woche vereinbart werden, Sie müssen jetzt handeln oder Sie haben für immer den vermeidbaren Tod von Millionen weiterer Menschen auf dem Gewissen."
Seit die Ausnahmereglung erstmals vorgeschlagen wurde, sind mehr als 4 Millionen Menschen an Covid-19 verstorben. Die Biden-Administration, die mehr Dosen verteilte als alle anderen Regierungen zusammen, hatte vergangene Woche in einer Erklärung deutlich gemacht, dass die TRIPS-Ausnahmeregelung ein dringender und wesentlicher nächster Schritt zur Beendigung der Pandemie sei.
Rosa Pavanelli, Generalsekretärin der Internationale der Öffentlichen Dienste (IÖD), fügte hinzu: "Eine Handvoll führender Politiker stellt die Interessen der Pharmalobby über die der Beschäftigten an vorderster Front. Dies ist ein Affront gegen die Opfer, die sie gebracht haben. Wenn die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, der Schweiz und der EU-Länder den Kreislauf von Abriegelungen und Reiseblockaden durchbrechen wollen, dann müssen sie die Blockade des Vorschlags für eine TRIPS-Ausnahmeregelung sofort beenden, damit der Ausweitung der Impfstoffproduktion und der Bekämpfung neuer Varianten keine Hindernisse mehr im Wege stehen."
Der Internationale Währungsfonds hat vor kurzem gewarnt, dass ein unzureichender Zugang zu Impfstoffen in den nächsten fünf Jahren zu einem Verlust des weltweiten BIP von 5,3 Billionen Dollar führen könnte. In der Zwischenzeit machen Pharmakonzerne alle 15 Minuten über 1.000.000 Dollar Gewinn vor Steuern.
Der vollständige Wortlaut der Erklärung des GUR kann hier eingesehen werden.