Mit einer 2016 von der ITF in Auftrag gegebenen Studie wurden die Panamakanalbehörden (PCA) schon früh darauf hingewiesen, dass der Betrieb mehr Risiken birgt als ursprünglich gedacht. Die Untersuchung enthält auch einige Vorschläge, wie sich die Risiken minimieren lassen. Wären die Behörden willens gewesen, sich mit den Gewerkschaften und der ITF auseinanderzusetzen, hätten sich einige der Unfälle seither vermeiden lassen.
Komplexer präsentiert sich die Lage im Bereich der betrieblichen Abläufe und bei den Arbeitgeber-/Arbeitnehmerbeziehungen. "Die Bemühungen der Kanalbehörden, die Bemannung der Schlepper und damit auch die Kosten zu reduzieren, nachdem die tatsächlichen Baukosten so eklatant über den ursprünglichen Prognosen liegen, sind eine zu einfache Lösung und bringen nur kurzfristige finanzielle Ersparnisse, während das eigentlich Wichtige übersehen oder ignoriert worden zu sein scheint: die Sicherheit der Beschäftigten und die sichere Durchfahrt für die Schiffe und ihre Besatzungen," so Nick Bramley, Vorsitzender der ITF-Sektion Binnenschifffahrt.
Und David Heindel, Vorsitzender der ITF-Seeleutesektion fügt hinzu: "Die Neopanamax-Schiffe haben nur eine Schleusenstraße für die Durchfahrt. Das bedeutet, dass ein Unfall oder anderer Zwischenfall, der den Kanal blockiert, die gesamten Fahrpläne aller Neopanamax-Schiffe durcheinanderwirbelt."
Die plötzliche, einseitige Entscheidung der Kanalbehörden, die Bemannung zu reduzieren, wurde den Besatzungen weder mitgeteilt noch mit ihnen erörtert. Auch die neuen Sicherheitsabläufe wurden ohne Vorwarnung eingeführt. ITF-Gewerkschaften, die Beschäftigte der Kanalgesellschaften vertreten, unterrichteten die ITF darüber, dass sie etliche Male Sitzungen mit den Kanalbehörden forderten, um eine konstruktive Diskussion über die Lage und die Frage, wie man den Kanal sicher und effizient betreiben kann, zu beginnen. Doch die PCA ignoriert die Anfragen bzw. weigert sich, in einen Dialog mit den Gewerkschaften und den Beschäftigten zu treten.
Die Besatzungen der Schlepper haben den tragischen Unfall, bei dem am 22. November 2017 ein Kollege und Seemann ums Leben kam, noch gut in Erinnerung. Der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die Behörden u. a. auf die Beschäftigten gehört und für ausreichende Bemannung an Bord gesorgt hätten. Nach einer Analyse wurde die Bemannung im vorderen Schlepper nicht reduziert und bei drei Vollmatrosen belassen. Nun wird ernsthaft befürchtet, dass die jüngste Reduzierung der Besatzungsstärke zu einem weiteren Todesfall führen könnte.
Die Atmosphäre zwischen den Behörden und der Gewerkschaft der Schlepperkapitäne UCOC verschlechtert sich von Tag zu Tag. Die PCA hat mit der Entlassung von zehn Schlepperkapitänen gedroht, die das Fahren unter unsicheren Bedingungen ablehnen.
Das geringe Sicherheitsniveau hat bereits zu einem Todesfall und einer Reihe von Unfällen geführt. In einem Fall, einem Crash zwischen dem panamaischen Schlepper Cerro Santiago und dem US-Küstenkutter Tampa, ermittelte der nationale US-Rat für Verkehrssicherheit als eine der Hauptursachen überlange Arbeitszeiten und Übermüdung. "Es ist leicht, Entscheidungen zur Sicherheit zu treffen, wenn man am Schreibtisch sitzt. Aber es ist eine andere Sache, wenn die getroffenen Entscheidungen das Leben von Menschen und ihren Kolleg/innen aufs Spiel setzen. Die Behörden sollten für eine angemessene Untersuchung aller Vorfälle sorgen und mit den Gewerkschaften bei der Erarbeitung von Lösungen zusammenarbeiten, statt die zu strafen, die Sicherheitsbedenken aussprechen", erklärte ITF-Generalsekretär Stephen Cotton.
Die Beschäftigten am Panamakanal stehen vor einem Dilemma: Sollen sie blind Befehle befolgen und ihr Leben, das anderer und den Ruf des Kanals aufs Spiel setzen, den sie seit über hundert Jahren zu einem Symbol nationalen Stolzes gemacht haben? Oder sollen sie Strafen bzw. sogar die Entlassung riskieren? Eine paradoxe Situation.
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