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Crewwechsel-Krise: Weitere Seeleute stellen die Arbeit ein und setzen ihre Heimschaffung über Panama durch

NACHRICHTEN

Nach der erfolgreichen Unterstützung der Besatzung der MV Contamines, in Panama auszuschiffen und in ihre Heimatländer zurückzufliegen, war die ITF nun noch weiteren Seeleuten dabei behilflich, über das mittelamerikanische Land zu ihren Familien zurückzukehren.

Der in Chile lebende und arbeitende ITF-Inspektor und -Koordinator des ITF-Netzwerks für Lateinamerika und die Karibik Juan Villalón-Jones und der ITF-Inspektor für Panama Luis Fruto haben in dieser Woche gemeinsam der gesamten Crew der unter der Flagge von Panama fahrenden MV Marvin Confidence dabei geholfen, ihr Schiff zu verlassen und die Heimreise anzutreten.

Die Crew der Marvin Confidence dankt der ITF in Panama für ihre Unterstützung (Quelle: ITF)

Manche Mitglieder der aus Russland, der Ukraine und Georgien stammenden Besatzung waren seit über zehn Monaten an Bord. Mit jeder weiteren Vertragsverlängerung hätten sie und das Schiff gegen das Seearbeitsübereinkommen verstoßen, das eine maximale Dienstzeit von elf Monaten festschreibt. Nach dem Seearbeitsübereinkommen haben Seeleute das Recht, nach Vertragsende heimgeschafft zu werden oder als Passagiere weiterzufahren. In den meisten Fällen können Arbeitgeber die Besatzung nicht zu einer Vertragsverlängerung zwingen.

Die Geschichte der Heimreise der Crew der Marvin Confidence nahm ihren Anfang Ende Juni, als Diakon Paul Rosenblum Kontakt zu Villalón-Jones aufnahm. Rosenblum ist Hafenseelsorger und regionaler Koordinator für Nordamerika und die Karibik beim katholischen Hilfswerk für Seeleute Apostleship of the Sea. In einem Schreiben an Villalón-Jones bat der Diakon im Namen der Besatzungsmitglieder der Marvin Confidence um Hilfe, als das Schiff sich in der Nähe von Chile, dem Heimatland von Villalón-Jones, aufhielt.

Er wollte der ITF zur Kenntnis bringen, dass ein Großteil der Crew des Schiffes trotz abgelaufener Verträge weiterarbeite (was illegal ist). Hinzu kämen offenbar gesundheitliche Probleme bei mindestens einem Crewmitglied. Auf der Marvin Confidence fehlten zudem wichtige Versorgungsgüter und das Kommunikationssystem des Schiffes sei teilweise defekt, so der Diakon weiter. Durch all diese Faktoren entstehe für die Besatzung an Bord eine sehr ernste und möglicherweise lebensgefährliche Situation.

Villalón-Jones berichtete: "Bei der Überprüfung des Hafenplans stellte ich fest, dass das Schiff in Valparaiso, Chile, vor Anker lag, aber keine Anlegegenehmigung beantragt hatte."

"Ich wendete mich an die Schiffsagentur, die mir versicherte, die Versorgung des Schiffes sei, während es vor Anker liege, sichergestellt. Zu diesem Zeitpunkt war noch immer keine medizinische Versorgung für das Besatzungsmitglied angefordert worden, und das Kommunikationssystem funktionierte nach wie vor nicht."

Villalón-Jones nahm Kontakt zur Besatzung auf, um weitere Informationen zu erhalten und mit ihr über ihre Optionen zu reden.

"Der Seemann, der medizinische Behandlung benötigte, teilte mir mit, er habe keinen förmlichen Antrag auf einen Arztbesuch über den Kapitän gestellt, was jedoch erforderlich ist. Ich erklärte ihm also, wie er das tun müsse. Ich sagte ihm auch, dass das Verfahren für Heimschaffungen im aktuellen Klima keine einfache Sache sei."

Nach dem Seearbeitsübereinkommen, dem globalen Regelwerk, in dem die Beschäftigungsbedingungen und Rechte von Seeleuten festgeschrieben sind, müssen Seeleute die Heimschaffung mindestens zwei Wochen im Voraus über den Kapitän ihres Schiffes offiziell beantragen.

"Ich schilderte ihm die Probleme, mit denen wir derzeit in der Crewwechsel-Krise zu kämpfen haben. Wenn ein formeller Antrag auf Heimschaffung im Einklang mit dem Seearbeitsübereinkommen gestellt wurde und vom Schiffskapitän oder der Bemannungsagentur abgelehnt wird, können wir oder die Hafenstaatkontrolle an Bord gehen. Aber Besatzungen müssen bedenken, dass diese Vorgänge aufgrund der Covid-19-Beschränkungen noch länger dauern und die Heimschaffung von der Verfügbarkeit internationaler Flüge abhängt," so Villalón-Jones.

"Als wir mit dem unter gesundheitlichen Problemen leidenden Seemann sprachen, fragten wir ihn, was passiert sei, wie er sich fühle und seit wann er an Bord sei. Er sagte, er sei über zehn Monate an Bord, habe bereits zwei Vertragsverlängerungen unterschrieben und wolle unbedingt nach Hause."

Daraufhin kontaktierte Villalón-Jones die Reederei und beantragte die Heimschaffung des Seemanns. Er sagte, diese habe zwar relativ freundlich reagiert, aber wie viele andere von der Crewwechsel-Krise betroffene Unternehmen erwidert, es sei nicht genug Zeit für die Erledigung der komplizierten chilenischen Formalitäten für einen Crewwechsel, bevor das Schiff wieder auslaufe und seinen Kurs nach Norden fortsetze.

Hierzu die Meinung von Villalón-Jones: "Wenn diese Unternehmen ihre Verantwortung für die Gewährleistung von Crewwechseln ernst nähmen, hätten sie sich schon lange im Voraus über die chilenischen Formalitäten informiert und die Ablösung ihrer Crew rechtzeitig vorbereitet haben können."

"Tatsächlich ist die Durchführung von Crewwechseln in Chile möglich, wenn ein bestimmtes Hygieneprotokoll eingehalten wird. Es gibt Flüge zu und von wichtigen Drehkreuzen in Europa und Asien über Miami oder Sao Paulo," so Villalón-Jones.

"Da die Reederei in dieser Hinsicht aber keinerlei Initiative ergriff und der kranke Seemann offenbar dringend von Bord gebracht werden musste, bemühten wir uns gemeinsam mit dem Unternehmen um Lösungen, zumindest den Crewwechsel innerhalb weniger Tage in Panama durchzuführen. Die ITF sieht es als ihre Aufgabe, Unternehmen bei der Durchführung von Crewwechseln behilflich zu sein – dabei steht für uns das Wohlergehen der Seeleute im Mittelpunkt."

Als die anderen Besatzungsmitglieder von der geplanten Heimschaffung einiger Kollegen in Panama erfuhren, meldeten sich noch weitere und erklärten, von Bord gehen zu wollen, berichtete Villalón-Jones.

Er nutzte das weltweite Netzwerk der ITF-Inspektor*innen und schaltete seinen Kollegen Luis Fruto in Panama ein.

"Ich sagte ihm, dass wir es nicht geschafft hatten, die Besatzung der Marvin Confidence in Chile auszuschiffen, aber dass noch immer Hoffnung bestünde, sie in Panama von Bord zu bekommen und von einer neuen Crew ablösen zu lassen. Meinst du, das ist möglich?" fragte Villalón-Jones.

Fruto war es vor kurzem gelungen, mehrere Crewwechsel über sein Heimatland Panama zu organisieren, und Villalón-Jones war optimistisch, dass Fruto erneut erfolgreich sein würde.

Das Schiff nahm Kurs auf Panama, wo es am 23. Juli anlegen sollte. Die Reederei hielte die ITF über ihre Kontakte mit einer dort ansässigen Agentur auf dem Laufenden, die bei der Heimschaffung behilflich sein sollte. Nachdem die Entwicklung anfangs vielversprechend aussah, begann das Unternehmen jedoch plötzlich, Ausflüchte zu machen und andere Pläne zu verfolgen. Es erklärte, dass die Besatzung im Fall, dass der Crewwechsel in Panama nicht möglich sei, nach Chile zurückgebracht werde. Dort würden angeblich Crewwechsel in Hafen von Lirquen durchgeführt.

Die Stimmung an Bord kippte. Warum sprach das Unternehmen jetzt auf einmal davon, den Crewwechsel erneut zu verschieben? Warum hatte es wieder einmal nichts vorbereitet? Sollte dies ewig so weitergehen?

Nach Monaten auf See über die ursprüngliche Vertragsdauer hinaus, erfüllt von dem Wunsch, endlich nach Hause zurückzukehren und ihre lang vermissten Familien und Freunde wiederzusehen, dachte die Besatzung der Marvin Confidence nun über härtere Maßnahmen nach, um ihr Recht auf Ausschiffung durchzusetzen.

Auch der kranke Seemann erhielt schlechte Nachrichten. Man sagte ihm, er sei nicht arbeitsunfähig und habe deshalb keinen Anspruch darauf, mit dem Großteil der Crew heimgeschafft zu werden. Nach zehn Monaten auf See war er verzweifelt.

Am 11. August kam das Schiff schließlich in Panama an. Um eine weitere Verlängerung wider Willen bis zur Rückkehr nach Chile zu vermeiden, beschlossen die elf Besatzungsmitglieder, einen Brief an die panamaische Schifffahrtsbehörde zu schicken und anzukündigen, dass sie die Arbeit einstellen würden, wenn nicht unverzüglich ein Crewwechsel organisiert werde – das Schiff werde lahmgelegt.

Unter den Besatzungsmitgliedern, die Flagge zeigten und einen Schlussstrich zogen, waren der Kapitän, der Erste Offizier, der Zweite Offizier, der Chefingenieur, der Dritte Ingenieur, der Elektroingenieur, der Bootsmann, der Schlosser und der Chefkoch.

Inspektor Luis Fruto erklärte: "Diese Besatzung hatte die Nase voll. Sie hatten ihre ursprüngliche Dienstzeit abgeleistet und wurden von ihrem Arbeitgeber ein ums andere Mal überredet, ihre Verträge zu verlängern. Aber nun befanden sich auf einem in Panama registrierten Schiff in Panama und verlangten, endlich nach Hause zurückkehren zu können."

"Eine Reederei und ihre Agenten sind dafür verantwortlich, die Ablösung von Besatzungen vorzubereiten – Covid-Protokolle sind keine Entschuldigung dafür, dies nicht zu organisieren. In einer solchen Situation trägt die Besatzung keine Schuld – warum soll sie also den Preis zahlen und eine Verlängerung akzeptieren?"

Am 14. August 2020 erhielte Fruto schließlich einen Anruf vom Leiter der panamaischen Schifffahrtsbehörde, der ihm mitteilte, die gesamte Besatzung der Marvin Confidence habe Tickets für den Heimflug erhalten, auch der kranke Seemann. Fruto traf die Besatzungsmitglieder am Flughafen, um ihnen alles Gute zu wünschen. Sie bedankten sich beim ITF-Inspektor und seinen Kolleg*innen für ihre Hilfe und Unterstützung.

"Es war schön, nach einer derart unsicheren und belastenden Zeit das Lächeln auf ihren Gesichtern zu sehen," sagte Fruto.

"Die Lehre aus solchen Berichten über Crewwechsel ist einfach: Wenn Seeleute für ihr Recht aufstehen, nach Ablauf ihrer Verträge auszuschiffen und heimgeschafft zu werden, steht die ITF an ihrer Seite. Crewwechsel sind in Ländern wie Panama möglich – aber die Seeleute müssen dazu bereit sein, die Chance zu ergreifen."

Wenn mehr Seeleute sich Vertragsverlängerungen widersetzen und ihr Recht auf Einstellung der Arbeit nach Ablauf ihrer Verträge durchsetzen, kann die Crewwechsel-Krise nach Meinung der ITF allmählich zu Störungen des Welthandels führen.
 

VOR ORT