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Dänischer Reeder betrügt Seeleute aus Ghana: "Wir wurden wie Sklaven behandelt."

NACHRICHTEN

Von Anna Birch-Schmidt für Fagbladet 3F. Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.


In Thyborøn (Dänemark) wurde ein Reeder wegen Menschenhandels und Verletzung des dänischen Ausländergesetzes unter Anklage gestellt. Er hatte zwei ghanaische Seeleute ausgebeutet und sie unter sklavenähnlichen Bedingungen für sich arbeiten lassen.

Über drei Jahre lang arbeiteten zwei afrikanische Seeleute unter sklavenähnlichen Bedingungen auf einem Fischereifahrzeug im dänischen Dorf Thyborøn. Kein Urlaub und 11 Stunden Arbeit an sechs Tagen der Woche waren die Norm für Reuben Kotei und Justice Numo, die unter dem falschen Versprechen von Ghana nach Dänemark gekommen waren, als Kapitäne ein Schiff nach Afrika zu überführen.

"Ihr sagt, wir seien wie Sklaven behandelt worden. Ich mag es nicht, so genannt zu werden, besonders nicht, wenn es stimmt," sagte der 57-jährige Reuben Kotoi, der zusammen mit dem 52-jährigen Justice Numo nun bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens im August dem Schutz des dänischen Zentrums gegen Menschenhandel untersteht.

Die Polizei in Dänemark hat einen 55-jährigen dänischen Reeder des Menschenhandels angeklagt, weil er die beiden Männer ohne die vorgeschriebenen Arbeitsgenehmigungen beschäftigte und ihren gesetzeswidrigen Aufenthalt im Land unterstützte.

Der Anklageschrift zufolge beantragt die Strafverfolgungsbehörde Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Entschädigungsleistungen für die beiden Ghanaer sowie die Beschlagnahmung des betroffenen Schiffes, das dem Angeklagten und seinem Unternehmen gehört.

Soldaten im Krieg

Reuben Kotei und Justice Numo lebten an Bord des Schiffes und erhielten für ihre Arbeit nur 1.200 Euro im Monat.

Reuben Kotei
Der 57-jährige Reuben Koi erlitt bei seiner Arbeit an Bord der 'Helene' eine Augenverletzung. Foto: 3F Archiv/Michael Drost-Hansen

Während ihrer gesamten Arbeitszeit in Dänemark hatten sie keinen einzigen freien Tag. Der Reeder behielt ihre Pässe und Reisedokumente ein. Hinzu kommt, dass die beiden Männer nach dem Ablauf ihrer Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen am 3. April 2017 kein Bleiberecht mehr in Dänemark hatten, wie sie gegenüber Fagbladet 3F erklärten.

Man sagte ihnen, die Behörden würden ihnen nur Schwierigkeiten machen, da ihre Papiere nicht in Ordnung seien. So schwiegen sie und ertrugen die fürchterlichen Arbeitsbedingungen.

"Wir waren auf das Geld angewiesen, und in unserer Kultur senkt man den Kopf und stellt keine Fragen. Wir waren Soldaten im Krieg. Und wenn du im Krieg bist, hältst du durch, bis die Schlacht gewonnen oder verloren ist. Es gibt kein Ablaufdatum," so Reuben Kotei.

Die beiden Ghanaer wurden außerdem angewiesen, sich nur in einem Radius von höchstens 500 Metern rund um das Schiff zu bewegen, andernfalls hätten sie Konsequenzen zu befürchten.

Zurück im Senegal 

Reuben Kotei und Justice Numo lernten den dänischen Reeder kennen, als sie im Senegal arbeiteten. Reuben Kotei berichtet, dass er ihm half, die besten Fangstellen entlang der senegalesischen Küste zu finden. Der Reeder fragte die beiden dann, ob sie Lust hätten, ihn zurück nach Dänemark zu begleiten, um ihm bei letzten Ausbesserungsarbeiten an seinem Fangschiff, der Emma Helene, zu helfen.

Der Plan war, dass Reuben und Justice das Schiff danach zurück nach Senegal überführen sollten.

"Er sagte uns, es müsse nur gestrichen werden, dann sei es bereit zur Abfahrt. Wir gingen davon aus, nur kurze Zeit in Dänemark zu bleiben," berichtet Reuben Kotei, der seit vielen Jahren als Seemann arbeitet.

Nach einer Kollision im Hafen sank die Emma Helene, bevor sie Thyborøn überhaupt verlassen konnte. Infolgedessen wurden Reuben und Justice auf ein anderes Schiff, die Helene, versetzt.

Nach wie vor mit dem Ziel, das Schiff für die Rückreise nach Senegal vorzubereiten.

PHOTO: 3F archive/Michael Drost-Hansen
Foto: 3F Archiv/Michael Drost-Hansen

Keine weiteren Fragen

Drei Jahre später befanden sich die beiden Ghanaer immer noch an Bord der Helene ohne unmittelbare Aussichten, nach Afrika zurückzukehren. 

Bis zum 26. Mai 2020 lebten Reiben Kotei und Justice Numo in ihren kleinen Kabinen an Bord des Schiffes. Sie arbeiteten auf der Helene, erledigten hin und wieder kleine Arbeiten auf dem Schiff und wurden auf anderen Fangschiffen eingesetzt, die demselben Arbeitgeber gehören. 

"Im Laufe der Jahre fragte ich den Reeder immer wieder gerade heraus, wann wir seiner Meinung nach losfahren können. Er antwortete jedes Mal, wahrscheinlich in ungefähr drei Monaten. Irgendwann hörte ich auf, zu fragen," so Justice Numo.

Die Helene gehört zwar einem dänischen Reeder, fährt aber unter der Flagge von Belize. Durch die Eintragung im Schiffsregister eines so genannten Billigflaggenlands wie Belize muss der Reeder in Dänemark keine Steuern zahlen und die dänischen Arbeitsschutzbestimmungen nicht einhalten. Die Besatzungen dieser Schiffe sind oft unzureichender Sicherheit, miserablen Arbeitsbedingungen und Reedern überlassen, die keine Verantwortung für die Gesundheit oder das Wohlbefinden der Beschäftigten übernehmen.

Wie Fagbladet 3F ferner erfuhr, gehört demselben dänischen Reeder noch ein weiteres Schiff, die Amalie, die ebenfalls unter der Flagge von Belize registriert ist und im Hafen von Thyborøn liegt. Sie diente drei weiteren Ghanaern als Zuhause, die in diesem Jahr nach Dänemark gebracht wurden. Diese drei Männer wurden nun von der dänischen Polizei vom Schiff geholt und sollen, sobald es die geltenden Corona-Restriktionen erlauben, per Flugzeug abgeschoben werden. 

Kein Urlaub, keine Familienbesuche

Obwohl die Amalie am 7. März 2019 nach Ghana fuhr, um die drei anderen afrikanischen Seeleute abzuholen, erhielten Reuben Kotei und Justice Nemo keine Gelegenheit, mitzufahren und zu ihren Familien zurückzukehren.

Monat für Monat schickten die beiden Männer einen großen Teil ihres Verdiensts zu ihren Frauen und Kindern nach Ghana. Es ist inzwischen über drei Jahre her, dass sie ihre Familien zum letzten Mal gesehen haben, da sie ohne Befreiung von ihren Aufgaben nicht nach Hause zurückreisen können. Alle Kontakte laufen über iPad-Bildschirme.

"Es ist wirklich hart. Wir sprechen ständig mit unseren Familien, und sie fragen immer, wann wir wieder nach Hause kommen. Wir wissen nicht, was wir ihnen sagen sollen. Wir vermissen sie sehr," sagt Justice Numo.

PHOTO: 3F archive/Michael Drost-Hansen
Foto: 3F Archiv/Michael Drost-Hansen

"Grotesk!"

Mit zwölf Jahren Erfahrung als Inspektor der Internationalen Transportarbeiter-Föderation sind Morten Bach Betrug und Täuschung in dänischen Gewässern nicht fremd. Daher überraschte ihn die Nachricht nicht, dass zwei Ghanaer seit über drei Jahren unter sklavenähnlichen Bedingungen lebten und arbeiteten. 

"Ich bin zutiefst empört, dass ein dänischer Reeder zwei Menschen ihrer Freiheit beraubt und sie auf derart entwürdigende Weise behandelt. Es ist grotesk," sagt Morten Bach, der im Fachbereich Verkehr der Gewerkschaft 3F arbeitet.

Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, in dänischen Gewässern an Bord von Schiffen zu gehen und Verträge, Arbeitszeiten, Heuern und sonstige Bedingungen zu prüfen.

Morten Bach berichtet, dass er jedes Jahr mit mehreren solcher Fälle zu tun hat, bei denen ausländische Staatsbürger*innen unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten, ohne dass die Polizei oder die dänische Schifffahrtsbehörde auch nur die leiseste Ahnung davon haben.

"Ich bin froh, dass die Polizei ihn nun geschnappt hat. Und es ist großartig, dass seine beiden Opfer nun von ihm befreit sind," so Bach.

Der Traum von der Entschädigung

Der Fall wird am 21. und 31. August vor dem Gericht von Holstebro verhandelt. 

Der Anklageschrift zufolge verlangen die beiden Männer jeweils eine Entschädigung in Höhe von 40.562 Euro – kein unerheblicher Betrag für die beiden ghanaischen Seeleute. Wenn Reuben Kotei und Justice Numo Dänemark mit der Entschädigung für ihr Martyrium in der Tasche verlassen können, hofft Reuben Kotei, sich einen großen Traum zu erfüllen: 

"Wenn wir das Geld bekommen, werde ich mir vielleicht endlich ein eigenes Boot leisten können," sagt er.

Fagbladet 3F bat den Strafverteidiger des Reeders Peter Secher um eine Stellungnahme. Dieser wollte jedoch zu dem Fall keinen Kommentar abgeben und seine Beteiligung an dem bevorstehenden Gerichtsverfahren nicht bestätigen. Fagbladet 3F wandte sich auch an den Reeder, erhielt aber auf die Bitte um Stellungnahme keine Antwort.
 

Die Anklageschrift:

Der Anklageschrift zufolge ist der Reeder wegen der Verletzung von Absatz 262a, Punkt 1 des dänischen Strafgesetzbuchs angeklagt, der sich mit Menschenhandel befasst, unter Hinweis darauf, dass die Männer von Februar 2017 bis zum 26. Mai 2020 Zwangsarbeit oder sklavenähnlichen Bedingungen unterworfen waren.

Dem 55-jährigen und seinem Unternehmen wird ferner die Verletzung des dänischen Ausländergesetzes zur Last gelegt, weil die beiden Ghanaer ohne die vorgeschriebenen Arbeitsgenehmigungen und unter erschwerenden Umständen beschäftigt wurden.


Die Sicht der ITF:

Johnny Hansen ist der Vorsitzende der Sektion Fischereiwirtschaft der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF). Für ihn ist die schockierende Behandlung dieser Ghanaer durch einen dänischen Reeder nur ein weiteres Beispiel dafür, dass Sklaverei in modernen Zeiten weiter existiert, oftmals vor aller Augen entlang den Küsten von Ländern, die stolz sind auf ihre Menschenrechtsbilanz.

"Dies zeigt, dass es auch im Jahr 2020 Sklaverei auf Fischereifahrzeugen gibt und dass eine solche Behandlung von Fischereibeschäftigten überall möglich ist," so Hansen.

Die Bekämpfung von Sklaverei und Menschenrechtsverletzungen in der Fischereiwirtschaft sei für die ITF weiterhin ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, erklärt er.

"In Irland betreiben wir eine Kampagne zur Unterstützung von Arbeitsmigrant*innen im Fischereisektor, mit der wir ihre Menschen- und Arbeitsrechte einfordern und die Menschen, die sie ausbeuten, zur Rechenschaft ziehen. Viele der Ausgebeuteten kommen aus Nord- und Westafrika, darunter einige aus Ghana. Wir mussten sogar die irische Regierung vor Gericht verklagen, damit sie endlich etwas gegen dieses wachsende Problem in ihren eigenen Gewässern unternimmt."

"Die Regierungen müssen mehr tun. Es reicht nicht aus, dass das US-Außenministerium in diesem Jahr ein Land wie Irland beschuldigte, 'die Abschreckung geschwächt, zur Straffreiheit von Menschenhändlern beigetragen und Bemühungen untergraben habe, Opfer zu Zeugenaussagen zu bewegen'. Unserer Meinung nach macht sich zum Komplizen, wer zu moderner Sklaverei schweigt," so Hansen.

3F ist ein dänische Gewerkschaft, die die Ghanaer dabei unterstützte, Freiheit und Gerechtigkeit zu erlangen. Sie ist der ITF angeschlossen.

 

Bericht von Anna Birch-Schmidt, Fotos von Michael Drost-Hansen für Fagbladet 3F. Die Sicht der ITF wurde hinzugefügt. Wiederveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.

 

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